In den nunmehr fünf Jahren Städtenetzwerk wurden zu vielfältigen Themen mit ganz unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Zeithorizonten verschiedene Dialogprojekte realisiert. Die qualitativen Anforderungen der mit dem vhw umgesetzten Beteiligungsverfahren lagen dabei insbesondere bei Inklusion, Deliberation und der Verankerung in das politische System. Am 15. Oktober 2015 traf sich der vhw mit den Projektbegleitern und -umsetzern aus acht Städten in Hamburg: Bergisch Gladbach, Berlin, Essen, Hamburg, Hamm, Kiel, Ludwigsburg und Mannheim.
vhw-Vorstand Prof. Dr. Aring (Bild links) begrüßte zur Konferenz mit viel Austausch, um mit- und voneinander zu lernen, wie es von Anbeginn des Projekts gewünscht wurde, aber nicht immer so stattfinden konnte, weil auch erst einmal die sozial- und demokratiewissenschaftlichen Leitplanken "richtig" eingezogen werden mussten. Die jüngsten Evaluationen, die im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Helmut-Schmidt-Universität entstanden sind, zeigen nun eindeutige Erfolge auf. So konnten im Rahmen der Dialogprozesse etwa Teilnehmerspektren vergrößert, Vertrauenszuwächse verzeichnet und Ansätze zur Verstetigung gefunden werden, so Dr. Thomas Kuder, Dialogexperte im vhw (Bild rechts).
Bernd Hallenberg , Bereichsleiter Forschung beim vhw (Bild links), verwies auf die im mehrjährigen Prozess erzielten konkreten Outputs - aktuell die zehn Leitlinien für Beteiligungsverfahren und Dialoge, die helfen, die Qualität von "inklusiv" und "deliberativ" auch über den gesamtem Arbeitsprozess umzusetzen. Andreas Bomheuer, Geschäftsbereichsvorstand für Kultur, Integration und Sport der Stadt Essen (Bildmitte), stellte den Dialogprozess in Essen vor: Kreativquartier in der nördliches Innenstadt . Dafür bedarf es verschiedener Schritte, um die Top-down orientierten Steuerungsprozesse mit den Bottom-up gegebenen Potenzialen im ganz speziellen Themenfeld der Kultur und Kreativwirtschaft zusammenzubringen. Den Nukleus, auf dem der Entwicklungsprozess aufgebaut werden soll, bilden dabei vor allem die Kreativen. Sie sind sowohl Initial als auch entscheidende Gruppe, um die City Nord zu beleben. Die Präsentation Albert Geiger (Bild rechts), Referatsleiter Nachhaltige Stadtentwicklung aus Ludwigsburg brachte die Erfahrungen zur Steuerung und Unterstützung durch den vhw ein. Lebendig diskutiert wurden insbesondere prozessorientierte Fragen der Steuerung: Wie gelingt es Offenheit und Lenkung von Prozessen in Einklang zu bringen? Welche Formen von Checklisten muss es geben? Wie können sich überlagernde Interessen so herausgestellt werden, dass eine gemeinsame Zielsetzung gefunden werden kann?
Eindrücklich forderten Kieler Bürger an den Entwicklungsperspektiven ihres Stadtteils mitwirken zu können: Am Anfang stand aber "nur" ein Planungsvorhaben, nämlich die Verlegung einer Bushaltestelle. Dass so etwas "passieren" kann, dass man mit einem Thema für eine Bürgerbeteiligung möglicher Weise gar nicht des Pudels Kern trifft oder ein ganz anderes Thema aufmacht, bedeutet für die Stadt entweder viel Stress und Vertrauensverlust bei Nichtberücksichtigung oder eine grundlegende Offenheit mit zweifellos mehr Arbeit, aber auch Vertrauensgewinn bei einem Eingehen auf die veränderte Situation. Wie das mit einem vom vhw angefertigten Stimmungsbild zutage kam und wie die Kommune dann souverän - weil offen - damit umgegangen ist, berichtete Gerwin Stöcken (Bildmitte), Stadtrat für Soziales, Gesundheit, Wohnen und Sport aus der Landeshauptstadt Kiel.
Joachim Horst (Bild rechts), von der gesamtstädtische Planung und Stadtteilentwicklung aus Hamm brachte die vielen formalen - zeitlichen wie sachlichen - "Zwänge" bei Beteiligungsverfahren ins Spiel und stellte die rhetorische Frage, ob man wirklich bei allen Verfahren bürgerbeteiligend vorgehen müsste...Natürlich braucht es Formate, die von verschiedenen Personen innerhalb der Verwaltung auch umgesetzt werden können. Zu sehr wird vielerorts noch partikular gedacht und gehandelt. Den starken Formalisierungsgrad zielorientierter Stadt- bzw. Fachplanung mit offenen demokratischen Beteiligungsprinzipien zusammenzubringen, ist in der Diskussion zum Thema als sehr wichtig herausgekommen und fraglos eine große Herausforderung.
Im Frühjahr 2015 wurde Berlin-Neukölln mit zwei Projekten in das Städtenetzwerk aufgenommen. Treibender Faktor für die Berliner war die gefühlte Notwendigkeit einer breiteren Inklusion von Bürgern in die Quartiersentwicklungsprozesse, zu Beginn im Quartier Flughafenstraße. So zeigte sich beim bereits existierenden Gremium Quartiersrat, dass trotz des hohen Anteils an Migranten im Stadtraum nur wenige davon kontinuierlich bei den Sitzungen anwesend waren. Die unterschiedlichen Bedarfe der Bevölkerung konnten so nicht gespiegelt werden. Das zu erarbeitende Handlungskonzept für eine Verstetigung der Quartiersarbeit konnte demnach auch nur einem Teil der Bewohner gerecht werden. Die Frage, die sich folglich stellte, war: Welche Gruppen werden in der Stadtteilarbeit nicht erreicht und wie können deren Bedürfnisse besser adressiert und einbezogen werden? Ute Krüger (Bildmitte) vom Referat Soziale Stadt bei der Berliner Senatsverwaltung und Quartiersmanager Thomas Helfen (Bild rechts) berichten zu den Erfahrungen mit dem Projekt in Neukölln, das als Modellprojekt gesehen wird. Der Bericht Ein wichtiger Ansatz war dabei die Milieuraumanalyse des vhw sowie aufsuchende Interviews, u.a. durch Stadtteilmütter und eine Gruppendiskussion mit Jugendlichen. "Kurzfristig" ist - da waren sich alle einig - eine Vokabel, die für Inklusionsziele nicht gedacht werden kann, wenn es um dauerhafte Zugänge und nachhaltiges Vertrauen geht.
Dialogresultate ins parlamentarische System ohne Reibungsverluste zu überführen und entsprechend dem Beteiligtenwillen umzusetzen ist noch ein bisschen die "Quadratur des Kreises". Hier trifft die Eigenlogik der Deliberation auf die Realität mit ihren Machtstrukturen, Hierarchien und Zwängen, kurzum, auf politics. Claudius Lieven (Bild rechts), Referat Stadtwerkstatt und Partizipationsverfahren in der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt der Freien und Hansestadt Hamburg erläuterte das hanseatische Vorgehen in Kooperation mit dem vhw am Beispiel der Stadtwerkstadt. Präsentation
In der Diskussion wurden drei Perspektiven eröffnet, die man beachten muss: Erstens ist es das Rollenverständnis der Politik und ihr operativer Umgang mit den Ergebnissen. Das Grundverständnis der Funktion von Beteiligung muss vorab geklärt sein und dann auch eingehalten werden. Zweitens muss die Anschlussfähigkeit der Verwaltung gesichert werden. Hierbei ist vor allem die dezernatsübergreifende Zusammenarbeit eine Herausforderung. Dafür braucht es Lernprozesse, um die Vorteile zu erkennen. Drittens ist die Rechenschaft an die Bürger zu leisten. Hier braucht es eine Verständigung über Kommunikationswege dazu. Medien sind zwar ein guter Ansatz, doch sie haben eine begrenzte Reichweite. Die bisherige Städtenetzwerkarbeit zeigt hier einen Entwicklungsprozess. Zu Beginn der Verfahren waren Politik und Medien zumeist nicht dabei. Jetzt merkt man, dass sie gebraucht werden.
Zum Abschluss der Veranstaltung stellte Prof. Dr. Garry Schaal die Ergebnisse der Evaluation der bisherigen Arbeit des Städtenetzwerkes vor. Die grundsätzliche Bewertung fiel sehr positiv aus. Dabei zeigte sich die Verwendung des Milieuansatzes als sehr vorteilhaft, da so die Qualität der Kommunikation mit den Bürgern entscheidend erhöht werden kann. Der Beitrag
Wir bedanken uns sehr herzlich bei unseren Projektpartnern vor Ort für die hier nur in knapper Kürze aufgeführten und keineswegs der Vollständigkeit entsprechenden Beiträge, Inputs und guten Hinweise. Es war ein außerordentlich offener Fachaustausch im schönen Wilhelmsburger Bürgerhaus - mit Gewinn für alle Seiten. Der vhw hat nun noch eine Hausaufgabe erhalten...einen Prozessleitfaden zu erarbeiten, der die Unterschiede bei den Verfahren mitdenkt, aber dennoch eine Hilfe gibt, die neue Beteiligungsqualität sowohl über die Gesamtlaufzeit als auch für die Teilstationen eines Beteiligungsverfahrens zu sichern.