Vor allem Wissen austauschen und Erfahrungen der anderen nutzen wollten die 24 Teilnehmer der Regionalkonferenz in Essen am 16. Juni 2016 zum Thema: Kreativquartierentwicklung - über Dialog zur Koproduktion. Im Mittelpunkt standen dabei die unterschiedlichen Erfahrungen mit Beteiligungsverfahren bei Kreativprojekten von Kommunen, Experten und Akteuren.
Anlass bot die aus der Zusammenarbeit der Stadt Essen und vhw zum Kreativquartier City Nord immer wieder gestellte Frage: Wie gelingt ein faires gemeinsame Gestalten von Kreativquartieren mit Künstlern, Stadt, Stadtpolitik, Wirtschaft, Inititiven, Einwohnern? Welche Bedingungen benötigt der Erfolg?
Neben den kommunalen Vertretern war auch ein gut Teil der in Essen beteiligten Akteure wie Kreativschaffende und Künstler, Unternehmer, Immobilieneigentümer und Kulturförderer, das Jugendamt und auch Vertreter aus der Wissenschaft mit dabei. Denn die Interessen der jeweils anderen Akteursgruppen zu verstehen und "mitzudenken" ist für den Erfolg eines gemeinsam entwickelten Kreativquartiers wichtig.
Im ersten der drei thematische Blöcke ging es zunächst um Kreativquartiere im Allgemeinen, um deren Charakteristika, Erfolgsfaktoren und Trends. Wie wird dabei das Verhältnis zwischen Kulturwirtschaft und sozialem Quartiersmanagement gestaltet?
Einen ersten Impuls setzte Dr. Bastian Lange (Foto) von multiplicities. Er gab einen Einblick in die aktuelle Diskussionen um die kreative Stadt und eine Neuausrichtung des Konzepts hin zur "Maker City", der Rückkehr der Produktion in die Stadt, welche veränderte Anforderungen an Prozesse der Koproduktion, Kooperation und Steuerung mit sich bringt sowie neue soziale und kreative Akteure auf den Plan ruft. Im Hinblick auf Governancestrukturen und Möglichkeiten der Förderung von Kreativwirtschaft durch die Kommunen betonte er die Notwendigkeit von spezifischer und verlässlicher Kontextsteuerung, z. B. durch ein Angebot an Räumen und Ressourcen sowie durch Wertschätzung und Verantwortungsübertragung, welche die wichtigen Prozesse der Selbstorganisation gewährleistet und die Eigenlogiken kreativer Akteure berücksichtigt. Die öffentliche Hand kann dabei durchaus zum Motor kritischer Massenbildung werden.
Bernd Fesel (Foto) vom european centre for creative economy – ecce ging auf den wichtigen Beitrag der Kreativwirtschaft für den Strukturwandel im Ruhrgebiet ein und verwies auf die Notwendigkeiten interdisziplinärer Dialoge, einer ausgeprägten Bottom-Up-Entwicklung und neuer Partnerschaften zwischen Wissenschaft, Verwaltung, Kultur, Wirtschaft, Wohnungswirtschaft und Initiativen, um erfolgreich zu sein. Kommunen komme dabei vor allem die Rolle eines Unterstützers und Moderators zu, um Innovation und Selbstentfaltung zu ermöglichen.
Ein solcher interdisziplinärer Austausch und Moderationsprozess bildet auch einen elementaren Baustein im zweiten Praxisbeispiel des Tages, dem Kreativquartier Unionsviertel Dortmund. Thomas Weiß von den Kulturbetrieben der Stadt Dortmund berichtete dabei von den vielen Dialogrunden und einem Beirat im Quartier, welcher in regelmäßigen Abständen von zwei Wochen zusammen kommt. Diese Kontinuität von Austausch und dem damit einhergehenden aktiven Netzwerken ermöglicht einen guten Steuerungsprozess, der sich durch viel Nähe zum Geschehen auszeichnet und zudem eine stetige Erfolgskontrolle gewährleistet.
Die Entstehung derartiger kreativer Prozesse aus sozialen Netzwerken heraus beleuchtete Katja Scheer (Foto) vom Bürgerhaus Wilhelmsburg in Hamburg näher. Sie gab einen Einblick in die Projekte "48 Stunden Wilhelmsburg" sowie "Musik von den Elbinseln", in deren Rahmen Stadtentwicklung durch musikalisches Communitybuilding erfolgt und mehr Miteinander der Bewohner, Selbstlerneffekte und auch die Einbindung großer Teile der migrantischen Bevölkerung erreicht wurden. Kontinuierliches Netzwerken, Dialog, direkte Ansprache und intensive Beziehungspflege waren dabei Erfolgsfaktoren eines gelungenen Koproduktionsprozesses.
Sichtbar machte sie Volker Buchloh (Foto) vom Kulturbüro der Stadt Oberhausen am Beispiel des dortigen Quartiersrats und verschiedener weiterer Projekte, wie die "Freie Universität Oberhausen", welche nur durch aktives Zusammenwirken verschiedenster Akteure funktionieren und die Verwaltung durch eigenaktives Handeln externer Akteure auch finanziell stark entlasten. Dabei betonte Buchloh die wichtige Rolle von Intermediären als kommunikative Vermittler und Multiplikatoren, die für eine Ansprache, u. a. der Bevölkerung, von großer Bedeutung sind und oft den Erfolg von Projekten und Ideen eigentlich erst ermöglichen.
Hierbei standen die spezifischen Erfahrungen und Perspektiven unterschiedlicher Akteure auf das Essener Projekt Kreativquartier City Nord im Vordergrund. Andreas Bomheuer (Foto), Geschäftsbereichsvorstand für Kultur, Integration und Sport der Stadt Essen, wies dabei auf das Potenzial hin, im konkreten Fall Kreativität zu nutzen, um auch soziale Prozesse mitgestalten zu können, so dass durch das dialogische Zusammenwirken von auf den ersten Blick unterschiedlichen Akteuren mit eigenen Interessen und Handlungsfeldern dennoch neue Innovationsschübe und Kooperationen entstehen können.
Partizipation ist auch aus der Sicht kreativer Akteure ein Schlüssel für den Erfolg. Peter Petersen vom 3D-Druckzentrum Ruhr und Jan Schoch (Foto links), freischaffender Künstler, hoben dies aus verschiedenen Gründen hervor: Zum Zwecke der Verankerung von Ideen und Entwicklungen im Quartier und bei der Bevölkerung, zur wechselseitigen Ergänzung und Kooperation zwischen Kreativschaffenden, zur ganzheitlichen Betrachtung von Räumen und der Entwicklung von Infrastruktur sowie, nicht zuletzt, um die Ziele einer nachhaltigen Stadtentwicklung fruchtbar zu machen.
Reinhard Wiesemann (Foto), Gründer des Unperfekthauses und Unterstützer verschiedenster Initiativen in Essen hob nochmals die Bedeutung von freien Entfaltungsspielräumen hervor, denn im Vorfeld lässt sich zumeist nur schwer sagen, welcher Kreativer am Ende erfolgreich sein wird. "Überzeugung, Möglichkeiten schaffen, Freiheiten geben, die Leute machen lassen, Ihnen helfen und Tipps geben" sind aus seiner Sicht entscheidend um Kreativität und Kreativquartiere zu fördern.
Abschließend zogen alle gemeinsam ein Zwischenfazit des bisherigen Prozesses in Essen. Festhalten lässt sich, dass durch den ko-produktiven Charakter, durch das Zusammenwirken unterschiedlichster Akteure mit verschiedensten Perspektiven und Handlungsmacht wechselseitig viel gelernt werden konnte. Natürlich bedarf dies Zeit und Arbeit und auch auf kommunaler Seite gibt es Grenzen etwa im Hinblick auf Zuständigkeiten und Schwerpunktsetzungen, die beachtet werden müssen: Wann wird es etwa zu wirtschaftlich oder zu kulturell, wenn unterschiedliche Fachbereiche Treiber sind? Dennoch, die positiven Effekte hinsichtlich einer nachhaltigeren Entwicklung, Akzeptanzförderung auf allen Seiten und nicht zuletzt ein gesteigertes Vertrauen in das Verwaltungshandeln, und hier sind sich alle Beteiligten einig, machen mehr Dialog und Zusammenwirkung lohnenswert.