Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat mit Urteil vom 20. März 2019 den Normenkontrollantrag der Gewerkschaft ver.di gegen die Satzung der Stadt Herrenberg über verkaufsoffene Sonntage in den Jahren 2017 und 2018 abgewiesen (Az.: 6 S 325/17).
Die Stadt Herrenberg bestimmte mit Satzung vom 23. November 2016, dass die Verkaufsstellen im Stadtgebiet anlässlich des "13. Historischen Handwerkermarkts" am Sonntag, den 2. April 2017, in der Zeit von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr, anlässlich der "Herrenberger Herbstschau" am Sonntag, den 15. Oktober 2017, in der Zeit von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr, anlässlich des "14. Historischen Handwerkermarkts" am Sonntag, den 18. März 2018, in der Zeit von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr, und anlässlich der "Herrenberger Herbstschau" am Sonntag, den 14. Oktober 2018, in der Zeit von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr, geöffnet sein durften. Hiergegen wandte sich die Gewerkschaft ver.di (Antragstellerin) mit einem Normenkontrollantrag und einem Eilantrag. Den Eilanatrag lehnte der VGH mit Beschluss vom 13. März 2017 ab, da die Belange der Antragstellerin in Abwägung mit den Interessen der Antragsgegnerin nicht so gewichtig seien, dass einstweilige Anordnungen nach § 47 Abs. 6 VwGO unaufschiebbar. Der Normenkontrollantrag hatte ebenfalls keinen Erfolg.
Der 6. Senat des VGH führt zur Begründung des Urteils aus: Nach dem Ladenöffnungsgesetz dürfen abweichend vom grundsätzlichen Sonntagsverkaufsverbot Verkaufsstellen aus Anlass von örtlichen Festen, Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen an jährlich höchstens drei Sonn- und Feiertagen geöffnet sein. Daher könnten solche Veranstaltungen nur dann "Anlass" einer ausnahmsweisen sonntäglichen Öffnung von Verkaufsstellen sein, wenn sie selbst einen beträchtlichen Besucherstrom anziehen und aus diesem Grunde Anlass bieten würden, die Offenhaltung der Verkaufsstellen freizugeben. Sie dürften gegenüber der Sonntagsöffnung nicht in den Hintergrund gedrängt werden. Reine "Alibiveranstaltungen", die lediglich dazu dienen sollten, einen Vorwand für eine ansonsten nicht mögliche Sonntagsöffnung von Geschäften zu schaffen, seien unzulässig.
Sowohl bei dem "Historischen Handwerkermarkt" als auch bei der "Herrenberger Herbstschau" in den Jahren 2017 und 2018 habe es sich jeweils um eigenständige Veranstaltungen gehandelt. Die "Herrenberger Herbstschau" finde als traditionelle Gewerbeschau aller Gewerbetreibenden Herrenbergs und des umliegenden "Oberen Gäu" bereits seit dem Jahr 1974 statt. Erst seit dem Jahr 2006 sei sie mit einem verkaufsoffenen Sonntag verbunden. Der "Historische Handwerkermarkt", der im Jahr 2004 begründet worden sei und – mit einer Unterbrechung im Jahr 2005 – jedes Jahr im Frühjahr stattfinde, werde zwar seitdem kontinuierlich mit einer sonntäglichen Ladenöffnung verbunden. Er sei jedoch – ebenso wie die Herbstschau – von einer finanziellen Beteiligung der von der Freigabe der Ladenöffnung begünstigten örtlichen Gewerbetreibenden unabhängig und hätte nach den Angaben der Prozessbeteiligten ohne weiteres auch ohne die Ladenöffnung stattfinden können.
Bei Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.2015 - 8 CN 2.14 -, NVwZ 2016, S. 689 = BVerwGE 153, 183) entwickelten Kriterien zur weiteren verfassungskonformen Einschränkung bei der Auslegung des § 8 Abs. 1 Satz 1 LadÖG würde sich freilich eine Unzulässigkeit der freigegebenen Sonntagsöffnung aus Anlass sowohl des "Historischen Handwerkermarkts" als auch der "Herbstschau" ergeben. Die – vom Bundesverwaltungsgericht geforderte – Prognose der Antragsgegnerin, dass größere Besucherströme durch diese Anlassveranstaltung hervorgerufen würden, erscheine dem Senat aus Anlass der "Herrenberger Herbstschau" – anders als beim "Historischen Handwerkermarkt" – zwar noch hinreichend schlüssig und vertretbar. Die Unzulässigkeit der Sonntagsöffnung würde jedoch für beide Veranstaltungen daraus folgen, dass es an der – nach dem Bundesverwaltungsgericht ebenfalls notwendigen – räumlichen Beschränkung der Ladenöffnung auf den Bereich der Kernstadt gefehlt habe.
Für eine solche Einschränkung jeder Entscheidung zur Freigabe einer Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen aus Anlass von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen durch die Gemeinden im konkreten Einzelfall sei mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 01.12.2009 – 1 BvR 2857/07 u.a. –, NVwZ 2010, S. 570 = BVerfGE 125, 39) jedenfalls dann kein Raum, wenn der Landesgesetzgeber bereits – wie hier mit dem baden-württembergischen Gesetz über die Ladenöffnung vom 14. Februar 2007 geschehen – in wechselseitiger Abwägung mit der Frage des erforderlichen Anlassbezugs im konkreten Einzelfall ein strenges Schutzkonzept bei den gesetzlichen Vorgaben zur Anzahl der abstrakt möglichen Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsschutz verfolge. Dann bedürfe es der Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Kriterien nicht.
Die Revision wurde wegen der Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugelassen. Die Revision kann von der Antragstellerin innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils eingelegt werden. Quelle/Weitere Informationen: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 3. April 2019