Einer schwerbehinderten Bewerberin, der die fachliche Eignung für eine von einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle nicht evident fehlt, ist in der Regel eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu zahlen, wenn sie nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden ist. Dies entschied das Verwaltungsgericht Mainz (Urteil vom 28.01.2022, Az: 4 K 1036/20.MZ).
Die Klägerin, bei der ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 vorliegt, bewarb sich auf eine von einer Verwaltungsbehörde für einen Bürosachbearbeiter ausgeschriebene Stelle. Sie verfügt u. a. über die Fachhochschulreife und eine dreijährige Ausbildung zur Fachfrau für Systemgastronomie. Die Beklagte teilte ihr mit, dass ihre Bewerbung nicht berücksichtigt werde, und wies den geltend gemachten Anspruch auf Entschädigung wegen Nichteinladung zu einem Vorstellungsgespräch zurück. Zur Begründung führte sie an, dass die in der Ausschreibung verlangte Berufsausbildung zur Kauffrau/zum Kaufmann (alle Fachrichtungen) bei dem Ausbildungsberuf der Fachfrau für Systemgastronomie nicht gegeben sei. Ein relevanter Anteil an kaufmännischen Inhalten werde in der dem Bereich des Gastgewerbes zuzuordnenden Ausbildung nicht vermittelt. Das Verwaltungsgericht verurteilte die Beklagte auf die Klage der abgelehnten schwerbehinderten Bewerberin zur Zahlung eines monatlichen Bruttoarbeitsverdienstes der für die ausgeschriebene Stelle geltenden Besoldungsgruppe (2.417,74 Euro) als Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.
Ein Entschädigungsanspruch nach diesem Gesetz setze einen Verstoß gegen ein Benachteiligungsverbot voraus. Die Klägerin habe eine Benachteiligung dadurch erfahren, dass sie nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei. Von einer Einladung dürfe nach den geltenden Rechtsvorschriften abgesehen werden, wenn dem schwerbehinderten Bewerber für die ausgeschriebene Stelle die fachliche Eignung offensichtlich fehle. Eine ersichtliche Nichteignung für die ausgeschriebene Stelle könne mit Blick auf die Vorbildung der Klägerin als Fachfrau für Systemgastronomie hier indes nicht angenommen werden. Zwar laute diese Berufsbezeichnung nicht auf Kauffrau. Dieser formale Aspekt trete jedoch hinter dem Umstand zurück, dass die Ausbildung nach Auskünften von Industrie- und Handelskammern und in den einschlägigen Berufskreisen als kaufmännische Ausbildung angesehen werde. Unstreitig weise auch die betreffende Ausbildungsordnung kaufmännische Inhalte auf. Handele es sich demnach bei der von der Klägerin absolvierten Berufsausbildung zur Fachfrau für Systemgastronomie um eine kaufmännische Ausbildung und seien auch die sonstigen Einstellungsvoraussetzungen fachlicher Art gegeben, fehle es der schwerbehinderten Klägerin nicht evident an der fachlichen Eignung für die ausgeschriebene Stelle. Ihre Einladung zu einem Vorstellungsgespräch sei daher gesetzeswidrig unterlassen worden. Dieser Pflichtenverstoß begründe auch die (von der Beklagten hier nicht widerlegte) Vermutung, dass die Klägerin nicht aus anderen Gründen als die Behinderung oder die fachliche Eignung von dem weiteren Bewerbungsverfahren ausgeschlossen worden sei.
Quelle/Weitere Informationen: Verwaltungsgericht Mainz, Pressemitteilung vom 14. Februar 2022