Mit zwei Urteilen vom 2. Dezember 2021 hat der 11. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts den Berufungen der Polizeidirektion Lüneburg gegen zwei Urteile des Verwaltungsgerichts Lüneburg stattgegeben und – anders als das Verwaltungsgericht – die Maßnahmen der Polizei gegen die beiden Kläger als rechtmäßig bewertet (Az.: 11 LB 231/20 und 11 LC 84/20).
Am 1. Juli 2017 fand in Lüneburg eine Versammlung der Gruppe "Lüneburger_innen gegen G 20" unter dem Motto "G 20 Warm Up – Die Verhältnisse zum Tanzen bringen" mit Aufzug und Kundgebungen statt. Diese Versammlung wurde durch den Veranstalter ordnungsgemäß angezeigt und nach einem Kooperationsgespräch durch Bescheid der Hansestadt Lüneburg vom 26. Juni 2017 bestätigt. Kletteraktionen waren weder Gegenstand der versammlungsrechtlichen Anzeige, noch des Kooperationsgesprächs oder des Bescheids vom 26. Juni 2017.
Während die Auftaktkundgebung der Versammlung im Clamartpark stattfand, begaben sich die Kläger in die Bardowicker Straße und erkletterten dort zwei am Straßenrand stehende, gegenüberliegende Bäume, um ein sog. „Banner Drop“ über der Straße anzubringen. Zu diesem Zeitpunkt stand noch nicht fest, ob die angezeigte Versammlung tatsächlich durch die Bardowicker Straße führen oder nach einer auf dem Marktplatz geplanten Zwischenkundgebung eine alternative Route nutzen würde. Als die Polizei die Aktivitäten der Kläger bemerkte, hinderte sie die Klägerin im Verfahren 11 LB 231/20 daran, den Baum weiter zu erklettern, und ordnete ihr gegenüber an, nur am Boden und nicht am Baum zu demonstrieren. Auf die dagegen von ihr und dem weiteren Kläger, der mit ihr das Banner anbringen wollte, erhobenen Feststellungsklagen hatte das Verwaltungsgericht die gegenüber der Klägerin ergriffenen polizeilichen Maßnahmen mit Urteilen vom 24. Februar 2020 als rechtswidrig angesehen und beiden Klagen stattgegeben (Az.: 5 A 367/17 und 5 A 369/17).
Auf die Berufung der Beklagten hat der 11. Senat des Oberverwaltungsgerichts mit Urteilen vom 2. Dezember 2021 die Urteile des Verwaltungsgerichts geändert und die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass das Verbot gegenüber der Klägerin, den Baum zum Zwecke des Demonstrierens zu erklettern, auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 NVersG rechtmäßig ergangen und durchgesetzt worden sei. Nach dieser Vorschrift könne die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken, um eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Da das Banner von den auf den Bäumen befindlichen Klägern über eine nicht für den Verkehr gesperrte Straße in der Innenstadt gespannt werden sollte, sei von der Kletteraktion - insbesondere ohne vorherige Kooperation mit den Behörden – eine unmittelbare Gefahr für die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs ausgegangen. Zudem sei ohne Kooperation nicht sichergestellt gewesen, dass der Regellichtraum über der Straße insbesondere für Busse frei bleiben würde. Im Übrigen sei es nach einer Verordnung der Hansestadt Lüneburg verboten, auf Straßenbäume zu klettern. Die Polizei habe die Kletteraktion zutreffend als eigene Versammlung gewertet und die Klägerin als deren Veranstalterin/Leiterin in Anspruch genommen. Das Versammlungsrecht der Kläger sei durch die polizeilichen Maßnahmen nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt worden.
Der 11. Senat hat die Revision gegen seine Urteile nicht zugelassen. Quelle: Oberverwaltungsgericht Niedersachsen in Lüneburg, Pressemitteilung vom 5. Dezember 2021