Nach mündlicher Verhandlung hat der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts am 22. März 2023 entschieden, das der Regionalplan für den Planungsraum I in Schleswig-Holstein unwirksam ist. Die in Kapitel 5.8 (Windenergie an Land) enthaltene Festlegung von Vorranggebieten für die Windenergie leide an einemAbwägungsmangel, der die zu überprüfende "Landesverordnung für den Regionalplan für den Planungsraum I in Schleswig-Holstein Kapitel 5.8" insgesamt unwirksam werden lasse.
Der Textteil des Regionalplans für den Planungsraum I legt in Kapitel 5.8 Vorranggebiete für die Windenergienutzung an Land fest. Raumbedeutsame Windkraftanlagen dürfen nur in diesen Gebieten errichtet und erneuert werden. Bei der Aufstellung der Regionalpläne sind die im Landesentwicklungsplan definierten Grundsätze der Raumordnung zu berücksichtigen. Einer dieser Grundsätze bestimmt, dass die Flächenauswahl für die Vorranggebiete nach bestimmten harten und weichen Tabukriterien sowie Abwägungskriterien erfolgen soll. Eines der weichen Tabukriterien nimmt Landschaftsschutzgebiete von der Flächenauswahl aus. Gleiches gilt für Gebiete, für die durch Einleitung eines Verfahrens zur Unterschutzstellung eine Veränderungssperre ausgelöst worden ist.
Die Voraussetzungen dieses Kriterium hätten, so die Auffassung des Senats, mit Blick auf die beiden als Tabuzonen berücksichtigten Landschaftsschutzgebiete "Wiedingharder- und Gotteskoog" und "Ostenfeld-Schwabstedter Geest mit vorgelagerter Marsch" im Kreis Nordfriesland nicht vorgelegen. Denn die Ausweisung dieser beiden Gebiete beruhte auf Kreisverordnungen, die ihrerseits bereits durch Urteile des Oberverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2020 für unwirksam erklärt worden waren. Bis zum Inkrafttreten der hier streitigen Landesverordnung am 31. Dezember 2020 habe der Kreis keine Verfahrenshandlungen vorgenommen, die eine erneute Veränderungssperre ausgelöst hätten. Der Ausschluss dieser beiden Gebiete von der Windkraftplanung hätte demnach nur nach einer ergänzenden Abwägung erfolgen können; eine solche war jedoch unterblieben.
Der festgestellte Fehler betreffe den gesamten Planungsraum I – bestehend aus den Gebieten der kreisfreien Stadt Flensburg, der Kreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburg –, da sich das Verhältnis von Positiv- zu Negativflächen insgesamt verändere und deshalb nicht mit ausreichender Sicherheit angenommen werden könne, dass der Plan mit den übrigen Festsetzungen genauso beschlossen worden wäre. Erfolgreiche Antragstellerin in diesem Normenkontrollverfahren ist eine Projektgesellschaft, die im nördlichen Kreis Schleswig-Flensburg die Errichtung einer Windkraftanlage plant (Az. 5 KN 53/21).
Mit dieser rechtlichen Würdigung hatte heute auch die Klägerin in einem zeitgleich verhandelten Verfahren Erfolg. Eine Bürgerwindpark-Gesellschaft begehrte vom Landesamt für Umwelt einen positiven Vorbescheid für eine geplante Windkraftanlage im Gebiet "Wiedingharder- und Gotteskoog". Mit der Unwirksamkeit des Regionalplans für den Planungsraum I stünden diesem Vorhaben keine Ziele der Raumordnung mehr entgegen, so der Senat (Az.5 KS 18/21).
Eine schriftliche Begründung der Urteile liegt noch nicht vor. Die Revision wurde nicht zugelassen. Gegen den Regionalplan für den Planungsraum I sind sieben weitere Normenkontrollanträge und eine weitere Klage anhängig.
Am 6. Juni 2023 wird sich der Senat mit dem Regionalplan für den Planungsraum II befassen. Er betrifft die kreisfreien Städte Kiel und Neumünster sowie die Kreise Plön und Rendsburg-Eckernförde. Dagegen wenden sich zwei Antragstellerinnen. Die Gemeinde Krummbek (Kreis Plön) meint, dass das Vorranggebiet PR2_PLO_006 zu nah an ihr Gemeindegebiet heranreiche und ihre eigene Planungshoheit verletze (Az. 5 KN 35/21). Eine private Antragstellerin wendet sich gegen die Aussparung ihrer im Kreis Rendsburg-Eckernförde in der Nähe der Potenzialfläche PR2_RDE_073 gelegenen Grundstücksflächen (Az. 5 KN 42/21). Über den Fortgang der 43 Normenkontrollanträge und zwei Klagen, die sich gegen den Regionalplan für den südlichen Planungsraum III richten, bleibt sodann zu entscheiden.
Quelle/Weitere Informationen: Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 22. März 2023