Die in der hessischen Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus angeordneten Beschränkungen für Einzelhandelsgeschäfte und Gaststätten begründen weder einen zu Minderung berechtigenden Mangel der Räumlichkeiten noch führen sie zur Unmöglichkeit der vom Vermieter oder Verpächter geschuldeten Leistung. Ob eine Anpassung des Vertrages wegen einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage vorzunehmen ist, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit zwei am 8. Oktober 2021 veröffentlichten Entscheidungen im Ergebnis die Minderungsbegehren zurückgewiesen (OLG-Urteile vom 17.9.2021, Az. 2 U 147/20 und 18/21).
Im ersten Fall betrieb die Klägerin in Frankfurt als Teil einer bundesweiten Kette ein Sushi-Restaurant. Sie hatte die Räume von dem Beklagten gemietet. Im Zusammenhang mit den hessischen Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus konnte das Lokal zeitweilig nicht betrieben werden. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie während der Zeit der behördlichen Beschränkungen nicht zur vollen Mietzinszahlung verpflichtet gewesen ist. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg.
Die Klägerin könne nicht Minderung der Miete verlangen, bestätigte das OLG. Die Mietsache sei nicht mangelhaft gewesen. Der Vermieter schuldete allein die Möglichkeit, in den überlassenen Räumen einen Geschäftsbetrieb mit dem konkret vereinbarten Zweck führen zu können. Er schuldete dagegen nicht die Überlassung des Betriebs selbst. Das so genannte Verwendungsrisiko trage vielmehr der Mieter. Dem Vermieter sei die von ihm geschuldete Leistung auch nicht unmöglich geworden. Er habe weiterhin die Räumlichkeiten in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen können.
Schließlich könne auch keine Herabsetzung des Mietzinses wegen einer schwerwiegendenStörung der Geschäftsgrundlage verlangt werden. Die Folgen der Corona-Pandemie führten zwar zu einer solchen schwerwiegenden Störung. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Parteien bei Kenntnis einer solchen Pandemie eine zeitweise Mietminderung vereinbart hätten. Hier sei aber nicht feststellbar, dass der Mieterin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar sei. Zu berücksichtigen sei dabei maßgeblich die vertragliche und/oder gesetzliche Risikoverteilung, wonach das Verwendungsrisiko den Mieter treffe. Beachtlich seien zudem die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Vertragsparteien. Hier seien ganz erhebliche Darlehensverpflichtungen auf Seiten des Vermieters mit zu gewichten. Im Ergebnis sei dem Vermieter eine Herabsetzung der Miete nicht zumutbar.
Imzweiten Fall begehrt die Verpächterin ausstehende Pachtzahlungen. Die Pächterin hatte den Vertrag über die Nutzung einer Gaststätte in Wiesbaden wegen der behördlichen Untersagung, Gäste in der Pandemiezeit zu bewirten, am 24.03.2020 außerordentlich gekündigt. Sie räumte das Lokal und stellte alle Zahlungen ein. Das Landgericht hatte die Zahlungsklage abgewiesen. Die Berufung der Verpächterin hatte vor dem OLG Erfolg.
Die Verpächterin hat einen Anspruch auf die Pachtzahlungen ab Mai 2020, urteilte das OLG. Der Vertrag sei nicht durch die außerordentlichen Kündigungen der Pächterin beendet worden. Die pandemiebedingten allgemeinen hoheitlichen Maßnahmen rechtfertigten keine außerordentliche Kündigung. Sie beträfen das Verwendungsrisiko des Pächters, nicht aber die Gebrauchsgewährungspflicht der Verpächter. Der Verpächter habe grundsätzlich nur die Möglichkeit des Gebrauchs zu verschaffen und hierzu die Pachtsachen in einem dem Verwendungszweck entsprechenden Zustand zu halten. Der Verpächter „schulde aber nicht die Überlassung des Betriebs selbst, sondern nur die Überlassung der dazu notwendigen Räume“, betonte das OLG. Insoweit sei ein Pachtvertrag ebenso zu behandeln wie ein Mietvertrag. Auch der Pächter trage das Verwendungsrisiko (in Form der sog. Fruchtziehung).
Die Pachthöhe sei auch nicht aufgrund der behördlichen Beschränkungen gemindert. Die auf Basis des Infektionsschutzgesetzes erfolgten Anordnungen hätten sich nicht gegen das Pachtobjekt selbst, sondern allein gegen die Geschäftsausübung gerichtet.
Es liege auch kein Fall der Unmöglichkeit vor. Die Verpächterin habe die Räume in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen.
Es bestehe auch kein Anspruch auf Anpassung des Mietzinses wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Durch den Eintritt der Pandemie und die damit verbundenen Beschränkungen habe sich diese zwar schwerwiegend verändert. Die Folgen der Pandemie griffen ganz erheblich in den Geschäftsbetrieb der Pächterin ein und beseitigten die Nutzbarkeit der Räume. Eine Anpassung des Pachtzinses sei zum einen allerdings bereits zu keinem Zeitpunkt verlangt worden. Zum anderen müsste die unveränderte Fortführung des Vertrages zu der ursprünglichen Pachthöhe für die Pächterin unzumutbar sein. Dies wäre anhand von Umsatzeinbußen, etwaigen Einsparungen, etwaigen staatlichen Hilfen oder sonstigen relevanten Umständen darzulegen. Da die Pächterin selbst den Betrieb eingestellt hatte, bevor die Betriebsbeschränkungen Auswirkungen auf ihr Geschäft zeigten, könne dies nicht festgestellt werden.
Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig. Der Senat hat in beiden Fällen wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen. Quelle: Oberlandesgericht Hessen in Frankfurt a.M., Pressemitteilung vom 8. Oktober 2021