Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, erhalten regelmäßig keine Grundsicherungsleistungen (sog. Hartz IV). Leistungsberechtigt sind hingegen freizügigkeitsberechtigte Arbeitnehmer, solange kein Missbrauch des EU-Freizügigkeitsrechts vorliegt. Von einem solchen Missbrauch sei jedenfalls dann nicht auszugehen, wenn der Betroffene durch seine Arbeitnehmertätigkeit seinen eigenen Bedarf fast vollständig selbst decken kann. Dies entschied der 6. Senat des Hessischen Landessozialgerichts in einem Eilverfahren (Az: L 6 AS 528/19 B ER – Der Beschluss ist unanfechtbar. Er wird unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de ins Internet eingestellt.)
Bulgarischer Arbeitnehmer erleidet Arbeitsunfall und beantragt Hartz IV
Ein bulgarisches Ehepaar mit zwei minderjährigen Kindern reiste im Frühjahr 2019 in die Bundesrepublik ein. Die Familie wurde zunächst von Verwandten finanziell unterstützt. Der Mann nahm Anfang Mai 2019 eine Tätigkeit als Landschaftsgärtner auf (Nettoverdienst 680 Euro bei 80 Stunden monatlicher Arbeitszeit), erlitt bereits nach wenigen Tagen einen Arbeitsunfall und erhielt daraufhin Verletzten- bzw. Krankengeld. Ergänzend beantragte er Grundsicherungsleistungen (sog. Hartz IV). Das Jobcenter lehnte dies ab. Leistungen seien ausgeschlossen, weil der Aufenthalt des Antragstellers sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe.
Kein Missbrauch des EU-Freizügigkeitsrechts bei fast vollständiger Deckung des eigenen Bedarfs durch Arbeitnehmertätigkeit
Die Darmstädter Richter verpflichteten das Jobcenter, der Familie vorläufig laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (sog. Hartz IV) zu gewähren. Mit der Arbeitsaufnahme des Mannes sei dieser als Arbeitnehmer freizügigkeitsberechtigt.
Er habe sich auch nicht rechtsmissbräuchlich auf das Freizügigkeitsrecht berufen. Denn die Inanspruchnahme von Sozialleistungen, die aufstockend zu einer tatsächlichen Arbeitnehmertätigkeit gewährt werde, begründe nicht per se einen entsprechenden Missbrauch. Diese gelte jedenfalls, wenn der Betroffene durch seine Arbeitnehmertätigkeit den eigenen Bedarf fast und zumindest unter zusätzlicher Inanspruchnahme von Wohngeld decken könne. Hiervon sei bei dem Antragsteller aufgrund des Monatsgehalts von knapp 700 Euro netto auszugehen. Quelle/Weitere Informationen: Landessozialgericht Hessen in Darmstadt, Pressemitteilung vom 25. Februar 2020