Der Bundesfinanzhof (BFH) bittet den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um Klärung, ob die Steuerbegünstigung für dauerdefizitäre Tätigkeiten kommunaler Eigengesellschaften gegen die Beihilferegelung des Unionsrechts verstößt. Der am 24. Oktober 2019 veröffentlichte Vorlagebeschluss (vom 13.03.2019 – I R 18/19)betrifft § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2009 und ist für Städte und Gemeinden von großer Bedeutung, da sie im Bereich der Daseinsvorsorge häufig an Eigengesellschaften mit dauerdefizitären Tätigkeiten beteiligt sind.
Geklagt hat ein Energieversorgungsunternehmen in der Rechtsform einer GmbH. Da die Anteile der Klägerin zu 100 % von einer Stadt gehalten werden, handelt es sich um eine sog. kommunale Eigengesellschaft. Aus dem Betrieb einer Schwimmhalle erwirtschaftete die Klägerin in den Streitjahren 2002 und 2003 (dauerhaft) Verluste. Diese Verluste wurden vom Finanzamt nicht steuermindernd anerkannt.
Der BFH hatte bereits in der Vergangenheit entschieden, dass die Hinnahme von Dauerverlusten im Interesse von Städten und Gemeinden bei kommunalen Eigengesellschaften regelmäßig zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) führt (BFH-Urteil vom 22.08.2007 – I R 32/06, BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961).
Dementsprechend sieht der BFH auch in der Hinnahme der Dauerverluste durch die Eigengesellschaft im Streitfall eine vGA an die Stadt, mit der Folge, dass das Einkommen der Gesellschaft entsprechend zu erhöhen ist. Dieser Rechtsfolge steht jedoch die durch das Jahressteuergesetz 2009 auch mit Wirkung für die Vergangenheit geschaffene Regelung des § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG entgegen, wonach die Rechtsfolgen einer vGA bei kommunalen Eigengesellschaften nicht zu ziehen sind, wenn sie ein sog. Dauerverlustgeschäft, wie z. B. beim Betrieb von Schwimmbädern aus gesundheitspolitischen Gründen, unterhalten.
Fraglich aus Sicht des BFH aber, ob die Steuerbegünstigung nach § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG eine staatliche Beihilfe i.S. von Art. 107 Abs. 1 i.V.m. Art. 108 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist. Genehmigungspflichtig sind danach selektive Beihilfen für bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige.
Der BFH ist der Auffassung, dass § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG den kommunalen Eigengesellschaften einen selektiven Vorteil dadurch verschafft, dass die Rechtsfolgen einer vGA nicht zu ziehen sind, während bei den übrigen Steuerpflichtigen, die ebenfalls im Interesse ihrer Gesellschafter verlustreiche Tätigkeiten durchführen, diese Rechtsfolgen eintreten. In seinem Vorlagebeschluss geht der BFH von einem grundsätzlichen Vorliegen einer Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV aus, überantwortet aber dem EuGH die verbindliche Klärung der im Streitfall bestehenden Auslegungsfrage.
Sollte der EuGH das Vorliegen einer Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV bejahen, wäre § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG bis zu einer Entscheidung der Europäischen Kommission über die Vereinbarkeit der Steuerbegünstigung mit dem Binnenmarkt nicht anwendbar. Der Streitfall wie auch die weitere Anwendung dieser Vorschrift müssten bis zu einer Entscheidung durch die Kommission ausgesetzt werden.
Im Übrigen sei in Bezug auf die Besteuerungszeiträume ab 2009 – anders als im Streitfall – auch die sog. Spartenrechnung des § 8 Abs. 9 KStG zu beachten, so der BFH. Diese ändere aber nichts am Entfallen der vGA, mit dem der BFH sein Vorabentscheidungsersuchen maßgeblich begründet habe. Ein vom EuGH auf dieser Grundlage bejahter Beihilfetatbestand könne sich daher auch auf die heute bestehende Rechtslage auswirken. Quelle/Weitere Informationen: Bundesfinanzhof, Pressemitteilung Nr. 69 vom 24. Oktober 2019