Erlaubt das Landesrecht eine rückwirkende Heilung fehlerhafter Haushaltssatzungen zur Erhebung der Kreisumlage auch nach Ablauf des betreffenden Haushaltsjahres, muss der Kreistag die bei Erlass der Heilungssatzung verfügbaren Informationen über den Finanzbedarf des Kreises und der kreisangehörigen Gemeinden in jenem Haushaltsjahr ermitteln und berücksichtigen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden (Az.: BVerwG 8 C 13.21 - Urteil vom 29. November 2022).
Die klagende Gemeinde wurde für das Haushaltsjahr 2013 zur Kreisumlage herangezogen. Das Oberverwaltungsgericht hielt die 2013 beschlossene Haushaltssatzung mangels förmlicher Anhörung der Gemeinden und eine 2018 erlassene Heilungssatzung wegen Ablaufs des Haushaltsjahrs 2013 für unwirksam. Mit Urteil vom 29. Mai 2019 – BVerwG 10 C 6.18 – verneinte das Bundesverwaltungsgericht eine bundesrechtliche Pflicht zur förmlichen Anhörung der umlagepflichtigen Gemeinden und verwies die Sache zur Klärung, ob die Umlageerhebung zu einer verfassungswidrigen Unterfinanzierung der Klägerin führte, an das Oberverwaltungsgericht zurück. Der Kreistag hat 2020 aufgrund einer neuen landesgesetzlichen Ermächtigung den Haushalt für 2013 durch eine rückwirkende – zweite – Heilungssatzung erneut beschlossen. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Satzung für rechtmäßig gehalten und die Klage abgewiesen.
Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts hat das angegriffene Urteil die Grenzen, die das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG) der rückwirkenden Umlageerhebung zieht, unzutreffend konkretisiert. Es verbiete dem Landkreis, bei der Umlagefestsetzung seine finanziellen Interessen einseitig und rücksichtslos zu bevorzugen. Erhebe er die Umlage rückwirkend, müsse er die bei Satzungserlass verfügbaren Informationen über den damaligen Finanzbedarf ermitteln und berücksichtigen. Das danach entscheidungserhebliche Vorbringen, der Landkreis habe 2013 Überschüsse in Millionenhöhe erwirtschaftet, habe das Oberverwaltungsgericht jedoch übergangen. Auch den Einwand der Klägerin, ihre Steuerhoheit werde durch die ihr abverlangten Umlagen entwertet, habe es nicht geprüft. Darüber hinaus hätte es nicht offenlassen dürfen, ob die Heranziehung zur Kreisumlage für das Jahr 2013 für sich genommen oder im Zusammenwirken mit anderen Umlagen zu einer verfassungswidrigen strukturellen und dauerhaften Unterfinanzierung der Klägerin führte. In solchen Fällen sei die Umlageerhebung nur wirksam, wenn die Gemeinde eine erfolgversprechende Möglichkeit habe, zusätzliche Finanzmittel oder eine Umlagebefreiung zu erlangen. Dagegen lasse das angegriffene Urteil genügen, dass eine Rechtsgrundlage für Befreiungen bestanden habe, und übergehe, dass der Landkreis eine Befreiung der Klägerin abgelehnt habe.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte nicht in der Sache selbst entscheiden, weil das Oberverwaltungsgericht entscheidungserhebliche Tatsachen nicht aufgeklärt hat und das Revisionsgericht keine eigenen Tatsachenfeststellungen treffen darf. Deshalb musste die Sache nochmals zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen werden.
Quelle/Weitere Informationen: Bundeverwaltungsgericht, Pressemitteilung vom 30. November 2022