Für die Berechnung angemessener Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ist auch im Sozialhilferecht die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze maßgeblich. Die entsprechende Regelung aus dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist analog anzuwenden. Dies entschied der 4. Senat des Hessischen Landessozialgerichts am 19. Januar 2022 (Az.: L 4 SO 143/19).
Ein 1951 geborener Mann lebt mit seiner Frau in einer 78 m² großen Wohnung (Kaltmietzins 322 Euro, Heizkosten 121 Euro) im Landkreis Kassel. Er bezog zunächst Arbeitslosengeld II ("Hartz IV") und beantragte nach Erreichen der Altersgrenze schließlich Grundsicherungsleistungen im Alter (Sozialhilfe). Der Landkreis Kassel verwies darauf, dass für einen 2-Personen-Haushalt lediglich eine Wohnfläche von 60 m² und dementsprechend Heizkosten von maximal 69,25 Euro angemessen seien. Der Mann führte dagegen an, dass das Jobcenter bislang höhere Leistungen gewährt habe. Bei der Prüfung der Angemessenheit seien auch im Sozialhilferecht die Heizkosten nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr sei wie bei der Hartz-IV-Berechnung eine Gesamtangemessenheitsgrenze anzuwenden, welche sich auf die Gesamtkosten für Unterkunft und Heizung beziehe.
Die Richter beider Instanzen haben entschieden, dass die Arbeitslosengeld-II-Regelung zur angemessenen Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung in der Sozialhilfe analog anzuwenden ist.
Die Bedarfe für die Unterkunft würden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt. Überstiegen die Kosten den angemessenen Umfang, so seien sie anzuerkennen, solange eine Kostensenkung – wie z. B. einem Wohnungswechsel – nicht möglich oder nicht zumutbar sei.
Nach einer im Jahr 2016 eingeführten Regelung im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) sei anhand einer Gesamtangemessenheitsgrenze zu beurteilen, ob die Kosten für Unterkunft und Heizung angemessen seien. Dies wirke sich zugunsten der Leistungsempfänger insbesondere in den Fällen aus, in denen ein sehr niedriger Kaltmietzins mit unangemessen hohen Heizkosten oder aber ein unangemessen hoher Kaltmietzins mit sehr niedrigen Heizkosten zusammenträfen.
Diese Regelung zur Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze sei im Bereich der Sozialhilfe (SGB XII) analog anzuwenden, so die Richter. Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe dienten jeweils der Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Zudem seien die Angemessenheitsgrenzen der Kosten für Unterkunft und Heizung weitgehend parallel geregelt. Die durch die SGB II-Reform im Jahr 2016 entstandene Regelungslücke im SGB XII sei im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot durch analoge Rechtsanwendung zu schließen.
Im vorliegenden Fall seien daher bei dem in einer Wohnung mit niedrigem Kaltmietzins wohnenden Kläger höhere Heizkosten zu berücksichtigen. Die Revision wurde zugelassen. Das Urteil wird unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de ins Internet eingestellt. Quelle/Weitere Informationen: Landessozialgericht Hessen in Darmstadt, Pressemitteilung vom 15. März 2022