Die genaue Kenntnis der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist heutzutage unerlässlich für jeden, der sich mit dem Thema Mietrecht beschäftigt.
An dieser Stelle finden Sie auch für den Nicht-Juristen verständliche Kommentierungen der wichtigsten Urteile des BGH zum Mietrecht von Dr. Dietrich Beyer, Richter am BGH a.D. Bei den Kommentierungen wird besonderer Wert gelegt auf die genaue Darstellung der Auswirkungen der Leitentscheidungen des VIII. Zivilsenats des BGH auf die Praxis.
BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2022 – VIII ZR 96/221
Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen musste sich der VIII. Senat mit einem Fall der Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Eigenbedarf und dem Härteeinwand der Mieterin wegen schwerwiegender gesundheitlicher Beeinträchtigungen – konkret: wegen Depressionen – befassen. Dem Urteil vom 26. Oktober 20222 lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem die Mieterin ihren Härteeinwand mit einer nicht therapierbaren psychischen Erkrankung und ernsthafter Suizidgefahr, vom Sachverständigen bestätigt, begründet hatte. In dem nun entschiedenen Fall geht es ebenfalls um schwerwiegende Depressionen der Mieterin, die das Berufungsgericht jedoch – ohne Gutachten – als nicht bewiesen angesehen und deshalb den Härteeinwand als unbegründet zurückgewiesen hatte.
Der aktuelle, sehr lesenswerte Beschluss bestätigt nicht nur die in der Entscheidung vom Oktober 2022 ausführlich dargelegten Grundsätze für die Prüfung und Bewertung gesundheitlicher Lasten des Mieters; er fasst sie außerdem noch einmal in einer – fast schulmäßigen (im positiven Sinn) – Darstellung sehr klar und übersichtlich zusammen. 3 Aus gegebenem Anlass betont der Senat aber mit Nachdruck und überzeugender Begründung die Aufklärungspflicht des Tatrichters bei fehlender eigener medizinischer Sachkunde.
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1 bislang nur in juris veröffentlicht (Stand 3. März 2023)
2 VIII ZR 390/21, Grundeigentum 2023, 37; NJW-RR 2023, 14; NZM 2023, 35; WuM 2023, 39
3 Rn. 15, 16,18, 21,
BGH, Urteil vom 23. November 2022 – VIII ZR 59/211
Im zweiten Halbjahr 2022 hat eine beachtliche Reihe von Verfahren, die den Komplex der formellen Anforderungen an die Erklärung des Vermieters über eine Mieterhöhung nach Modernisierung betreffen, den VIII. Senat des BGH beschäftigt – angefangen von der Grundsatzentscheidung vom 20. Juli 20222 über die Serie der Fälle aus Bremen3 bis zu dem aktuellen Urteil vom 23. November 2022. Diese Entscheidung bestätigt einerseits die gefestigten Grundsätze der vorausgegangenen Entscheidungen, enthält daneben aber auch wichtige und interessante Details, etwa zum Begriff der Einsparung von Energie i.S.d. §§ 555b Nr. 1, 559 Abs. 1 BGB. Neu in dieser Form ist auch der Leitsatz b) zur Bedeutung des Merkmals "maßgeblicher Erkenntniswert" einer in der Mieterhöhungserklärung (oder eines Mieterhöhungsverlangens nach §§ 558 ff BGB bzw. einer Betriebskostenabrechnung) enthaltenen Information für die Prüfung der formellen Wirksamkeit der Erklärung.
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1 WuM 2023, 34 (Stand. 3. Februar 2023)
2 VIIIZR 361/21, Grundeigentum 2022, 893; WuM 2022, 542; ZMR 2022, 951; NZM 2022, 795; NJW-RR 2022, 1455
3 insbesondere die Urteile vom 9. November 2022, VIII ZR 316/21, 331/21, 333/21, 335/21 und 34/21
BGH, Urteil vom 26. Oktober 2022 – VIII ZR 390/211
Entscheidungen des BGH zu Fällen der Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Eigenbedarf und dem mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen begründeten Härteeinwand des Mieters sind an sich schon nicht allzu zahlreich. Das aktuelle Urteil vom 26. Oktober 2022 zeichnet sich jedoch durch eine sehr außergewöhnliche, um nicht zu sagen: tragische – Konstellation aus, insbesondere im Hinblick auf die schwerwiegende, nicht therapierbare psychische Erkrankung der Mieterin, ihre extreme innere Fixierung auf die innegehabte Mietwohnung und eine schwerwiegende Suizidgefahr. Sowohl das Urteil des VIII. Senats als auch die vorausgegangenen Entscheidungen der Instanzgerichte sind bemerkenswert wegen ihrer umfassenden, äußerst sorgfältigen Darstellung und Abwägung der Belange der Parteien zu den Kriterien des Eigenbedarfs, des Härteeinwands und der verfassungsrechtlichen Aspekte.
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1 Grundeigentum 2023, 37; WuM 2023,39; NJW-RR 2023, 14; NZM 2023, 35
BGH, Urteil vom 5. Oktober 2022 – VIII ZR 117/211
Das Urteil vom 5. Oktober 2022 zeichnet sich durch die Erörterung einer Fülle von Fragen des Mietrechts, des Betriebskostenrechts, der Auslegung von gesetzlichen oder mietvertraglichen Bestimmungen, des Wirtschaftlichkeitsgebots usw. aus. Sämtliche Punkte werden sorgfältig geprüft und überzeugend beantwortet. Damit fügt sich dieses Urteil in die lange Reihe aktueller Entscheidungen des VIII. Senats des BGH ein, die durch ihre umfassende, – im positiven Sinn – fast akademische Begründung und ihr praktikables Ergebnis beeindrucken. Dass es im vorliegenden Fall – nicht zum ersten Mal – um Minimalbeträge geht, berührt unmittelbar wohl nur die beteiligten Rechtsanwälte, schmälert aber nicht die rechtliche Bedeutung der Aussagen des Urteils.
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1 Grundeigentum 2022, 1205; NJW-RR 2022, 1593; WuM 2022, 733
1) Bestätigung der Senatsrechtsprechung
2) Bindung des Richters an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs.3 GG)
BGH, Urteil vom 5. Oktober 2022 – VIII ZR 307/21
Die Hoffnung, dass die jahrelange Auseinandersetzung zwischen dem LG Berlin und dem VIII. Senat des BGH mit den 20 Urteilen von Januar bis Mai 2022 endlich einen Abschluss gefunden hat, hat sich nicht erfüllt. In einer Entscheidung vom 5. Oktober 20221 hat der Senat noch einmal seine bisherige Rechtsprechung in vollem Umfang bestätigt, im Hinblick auf die Begründung des neuen Urteils der Zivilkammer 66 des LG Berlin vom 20. August 20212 aber einige Punkte besonders betont und darüber hinaus das Berufungsurteil erneut zum Anlass genommen, auf die (verfassungsrechtliche) Bindung des Richters an Gesetz und Recht hinzuweisen. Das Berufungsurteil ist nicht veröffentlicht; seine Begründung ist jedoch, wie der Senat einleitend klarstellt3, identisch mit einem Urteil der ZK 66 vom 30. März 20204, das Gegenstand einer Grundsatzentscheidung des Senats vom 13. Oktober 20215 war, auf die der Senat jetzt Bezug nimmt.6
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1 VIII ZR 307/21, Grundeigentum 2022, 1308 (Stand 9. Januar 2023)
2 66 S 98/20 (nicht veröffentlicht)
3 Rn. 13
4 66 S 293/19, Grundeigentum 2020, 604, WuM 2020, 281; ZMR 2020, 504
5 VIII ZR 91/20, WuM 2021, 744; Grundeigentum 2021, 1549; NZM 2022, 49; NJW-RR 2022, 80; ZMR 2022, 112; DWW 2022, 16
6 Rn. 14
BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2022 – VIII ZR 394/21
Es gibt Fälle, in denen es scheinbar um mietrechtliche Banalitäten geht, die aber bei näherem Hinsehen interessante Aspekte aufweisen – so auch in der Sache, die dem Beschluss des VIII. Senats vom 4. Oktober 2022 zugrunde liegt. Konkret geht es hier um die Benutzung einer Waschküche, etwas abstrakter formuliert um die Nutzung sog. Gemeinschaftsflächen in einem Mehrfamilienhaus, um die Umlegung von Betriebskosten und um die Auslegung – genauer: um die ergänzende Auslegung – des Mietvertrages. Deshalb lohnt sich das Studium der Entscheidung, auch wenn der Senat einen Grund für die vom Berufungsgericht1 ausgesprochene Zulassung der Revision und ebenso die Erfolgsaussicht der Revision verneint und der Mieter daraufhin sein Rechtsmittel zurückgenommen hat.
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1 LG Berlin, Urteil vom 2. November 2021 – 67 S 113/21 (nicht veröffentlicht)
BGH, Urteil vom 28. September 2022 – VIII ZR 300/211
Dieses Urteil ist bemerkenswert aus mehreren Gründen: Zum einen, weil es die für die Praxis hochinteressante Frage der rechtlichen "Reichweite" der sog. Mietpreisbremse erstmals grundsätzlich klärt, und zum anderen wegen der umfassenden und überzeugenden Darlegung der Regeln für die Auslegung von individuellen Willenserklärungen und gesetzlichen Bestimmungen; diese Ausführungen sind an sich nicht neu, aber wegen der klaren, fast lehrbuchartigen (im positiven Sinn) Beschreibung einprägsam und sehr lesenswert.
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1 Grundeigentum 2022, 1201; WuM 2022,739; NJW-RR 2022, 1666; NZM 2022, 954; DWW 2022, 378
BGH, Urteil vom 28. September 2022 – VIII ZR 338/211
Einmal mehr hat sich der Eindruck bestätigt, dass Verfahren, in denen es um eine Mieterhöhung nach Modernisierung geht, mit einer gewissen Regelmäßigkeit zum VIII. Senat des BGH gelangen und sie durchweg für die Praxis wichtige Fragen aufwerfen, die der Senat mit recht grundsätzlichen Ausführungen beantwortet. Ein neues Beispiel ist das Urteil vom 28. September 20222, das die Grundsätze für die Prüfung der formellen Anforderungen an die Mieterhöhungserklärung des Vermieters mit einer nicht zu überbietenden Klarheit, Ausführlichkeit und Überzeugungskraft darlegt. Ergänzt wird dieser sehr gute Eindruck durch eine Anmerkung zur Frage der Verwirkung eines Anspruchs. Angesichts der Fülle wichtiger Aussagen musste die Darstellung des Urteils etwas ausführlicher als sonst ausfallen.
Kurzum: Das Urteil ist eine Pflichtlektüre und ein präziser "Wegweiser" für alle Mietrechtler – Fehler wie in dem vorangegangenen Berufungsurteil dürfen jetzt nicht mehr vorkommen.
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1 bislang nur in juris veröffentlicht (Stand 3. Februar 2023). Die Urteilsgründe sind – bis auf einige, unerhebliche Details – identisch mit den beiden weiteren Urteilen vom 28. September 2022 in den Verfahren VIII ZR 340/21 und VIII ZR 344/21 u. mehreren Urteilen v. 9. November 2023, z. B. VIII ZR 331/21
2 VIIIZR 361/21, Grundeigentum 2022, 893; WuM 2022, 542; ZMR 2022, 951; NZM 2022, 795; NJW-RR 2022, 1455
BGH, Urteil vom 31. August 2022 – VIII ZR 132/201
Das Urteil vom 31. August 2022 betrifft keinen alltäglichen Fall, ist aber dennoch eine sehr bemerkenswerte Entscheidung, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen, weil es in einer hervorragenden, geradezu lehrbuchartigen (im positiven Sinn) Weise die Auslegung der speziellen mietrechtlichen Verjährungsbestimmung des § 548 BGB vornimmt, und zum anderen, weil es die für beide Seiten u. U. äußerst wichtige Frage der Verjährung von Schadensersatzansprüchen des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache klärt. Eine Veröffentlichung des Urteils in der Amtlichen Sammlung BGHZ wäre deshalb angemessen gewesen, ist aber – leider – nicht vorgesehen.
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1 bislang nur in juris veröffentlicht (Stand 9. Oktober 2022)
BGH, Urteil vom 20. Juli 2022 – VIII ZR 361/211
Verfahren, in denen es um eine Mieterhöhung nach Modernisierung geht, gelangen mit einer gewissen Regelmäßigkeit zum VIII. Senat des BGH, und sie werfen durchweg für die Praxis wichtige Fragen auf, die der Senat mit recht grundsätzlichen Ausführungen beantwortet. Zu nennen sind beispielsweise die hier bereits besprochenen Urteile vom 28. April 2021 zur Mieterhöhung "in Etappen"2, vom 17. Juni 2020 zum Abzug der fiktiven Kosten bei einer modernisierenden Instandsetzung3 oder vom 18. März 2021 zur Frage des zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Ankündigung und der Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen.4 In der aktuellen Entscheidung geht es im Kern um die formellen Anforderungen an eine Modernisierungsmieterhöhung, allerdings in einer ganzen Palette von interessanten Einzelfragen, insbesondere auch bei der sog. modernisierenden Instandsetzung.
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1 Grundeigentum 2022, 893; WuM 2022, 542 (Stand 27. September 2022)
2 VIII ZR 5/20, WuM 2021, 371; NJW-RR 2021, 735; Grundeigentum 2021, 754; NZM 2021, 504
3 VIII ZR 81/19, WuM 2020, 493; Grundeigentum 2020, 1046; NZM 2020, 795; ZMR 2020, 925
4 VIII ZR 305/19, Grundeigentum 2021, 621; WuM 2021, 354; NZM 2021, 463; ZMR 2021, 572
BGH, Beschluss vom 19. Juli 2022 – VIII ZR 194/211
Dieser Beschluss mag auf den ersten Blick nicht mehr ganz aktuell erscheinen; der Eindruck täuscht jedoch insofern, als die Entscheidung ihren Abschluss erst mit einem Beschluss vom 8. November 20222 gefunden hat, mit dem der Senat die Revision – nach dem fruchtlosen Ablauf der Frist zur Stellungnahme auf den vorliegenden Hinweisbeschluss vom 19. Juli 2022 – zum Teil als unzulässig, im Wesentlichen jedoch als unbegründet zurückgewiesen hat.3
In der Sache geht es um eine Mängelbeseitigung, konkret: die Instandsetzung einer defekten Gasetagenheizung, die von Vermieterin mit der Begründung abgelehnt wurde, das Mehrfamilienhaus sei inzwischen mit einer Zentralheizung ausgestattet worden. Aus dem Zusammentreffen dieser Vorgänge hat sich eine für die Praxis interessante „Konkurrenz“ von verschiedenen Ansprüchen der Mieter- und der Vermieterseite ergeben, die der VIII. Senat umfassend dargelegt und gegeneinander abgewogen hat.
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1 Grundeigentum 2022, 950; NZM 2023, 30; ZMR 2023, 27; NJW-RR 2023, 84
2 nur in juris veröffentlicht (Stand 3. Februar 2023)
3 Die Gründe, aus denen die Revision hinsichtlich der Widerklage des Vermieters als unzulässig verworfen wurde, können hier ausgeklammert bleiben.
1) Unwirksamkeit des MietenWoG Berlin (BVerfG)
2) Wichtige Grundsätze und Einzelfragen der Anwendung eines Mietspiegels (Schätzungsermessen des Tatrichters, Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung u. a.)
BGH, Beschluss vom 14. Juni 2022 – VIII ZR 24/211
Am 14. Juni 20022 hat der VIII. Senat zwei Beschlüsse zum Thema Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§§ 558 ff BGB)2 erlassen, die wichtige Detailfragen aufwerfen und bei denen das Berufungsgericht überzeugt war, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung oder eine höchstrichterliche Entscheidung sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, deshalb sei die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Beide Fälle betreffen die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete für eine in Berlin gelegene Wohnung, in denen es jeweils – als Vorfrage – um die Wirksamkeit des § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoGBln3, im Kern jedoch um die Anwendung des Berliner Mietspiegels 2019 ging. Wie in der Parallelentscheidung, allerdings mit einem anderen, für die Praxis interessanten Schwerpunkt hat der Senat im vorliegenden, sehr lesenswerten Beschluss Grundsätze und Einzelheiten für die Anwendung eines Mietspiegels durch den Tatrichter dargelegt.
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1 bislang nur in juris veröffentlicht (St. 27. September 2022)
2 außer der hier bereits besprochenen Entscheidung: Beschluss in der Sache VIII ZR 361/20
3 Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin v. 11. Februar 2020
1) Unwirksamkeit des MietenWoG Berlin (BVerfG)
2) Begründung des Erhöhungsverlangens (formelle Anforderungen)
BGH, Beschluss vom 14. Juni 2022 – VIII ZR 361/201
Der Komplex Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§§ 558 ff BGB) gehört in der Praxis zum alltäglichen Geschäft. Dennoch gelangen immer wieder Verfahren zum BGH, die wichtige Detailfragen aufwerfen und bei denen das Berufungsgericht überzeugt ist, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung oder eine höchstrichterliche Entscheidung sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, deshalb sei die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Auch wenn der VIII. Senat des BGH diese Voraussetzungen im konkreten Fall verneint, sind seine Entscheidungen in aller Regel sehr lesenswert, weil sie wichtige Grundsätze in einer komprimierten Form darstellen und durch praxisrelevante Details ergänzen. Ein insoweit geradezu klassischer Fall liegt dem Beschluss vom 14. Juni 2022 zugrunde.
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1 bislang nur in juris veröffentlicht (Stand 27. September 2022)
BGH, Beschluss vom 18. Mai 2022 – VIII ZR 9/221
In dem umfangreichen Komplex mit aktuellen Entscheidungen des VIII. Senats des BGH zum „Dauerbrenner“ der Aktivlegitimation eines registrierten Inkassodienstleisters – seit Januar 2022 immerhin 20 Urteile – finden sich auch etliche Urteile mit einem „Anhang“ zu einem allgemein interessierenden Thema. Ein sehr gutes Beispiel für diese kleine Serie ist das Versäumnisurteil vom 18. Mai 2022, in dem es u.a. um die Frage ging, ob die von dem Inkasso-dienstleister in Anspruch genommene Vermieterin vor Abschluss des Mietvertrages den Mietern in dem gesetzlich gebotenen Umfang Auskunft über die Vormiete erteilt hatte.
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1WuM 2022, 468; MDR 2022, 1009 (St. 12. September 2022)
BGH, Urteil vom 11. Mai 2022 – VIII ZR 379/201
Es gibt wenige Mietrechts-Entscheidungen des VIII. Senats, deren Streitwert sich in Grenzen hält, deren praktische Bedeutung aber erheblich ist und die eigentlich längst „überfällig“ waren – aber genau dies ist bei dem Rauchwarnmelder-Urteil vom 11. Mai 2022 der Fall. Die konkrete Frage, ob die Miete für Rauchwarnmelder als Betriebskosten auf die Mieter umgelegt werden können, wird in der Entscheidung ausführlich und überzeugend beantwortet; und dennoch wirft die Sache weitere, praxisrelevante Fragen auf, die der BGH in dem Urteil nicht angesprochen hat – dazu näher in den Anmerkungen.
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1 Grundeigentum 2022, 685; NJW-RR 2022, 877; WuM 2022, 428; 2 Rn. 3, 4
BGH, Beschluss vom 10. Mai 2022 – VIII ZR 277/201
Das Thema Schönheitsreparaturen war bekanntlich längere Zeit ein "Dauerbrenner" in der Rechtsprechung des VIII. Senats des BGH. Seit einiger Zeit scheinen hier die Probleme der Praxis weitgehend geklärt zu sein; jedenfalls haben unmittelbar mit diesem Thema zusammenhängende Fragen in den letzten beiden Jahren beim VIII. Senat praktisch keine Rolle mehr gespielt. Lediglich in einem Beschluss vom 26. April 20222 ging es u.a. – wie im vorliegenden Fall – um einen Schadensersatzanspruch des Vermieters wegen Rückgabe der Wohnung in unrenoviertem Zustand, der mangels einer Fristsetzung (§ 280 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB) allerdings unbegründet war.3 Im vorliegenden Fall war der Anspruch des Vermieters jedoch begründet, und der Senat konnte die entsprechenden Entscheidungen der Vorinstanzen in vollem Umfang mit einer gestrafften, aber umfassenden Begründung bestätigen – eine für die Praxis wichtige „Auffrischung“ der Rechtsprechung zu dieser wichtigen Frage.
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1 bislang nur in juris veröffentlicht (Stand 10. Oktober 2022)
2 VIII ZR 364/20, nur in juris veröffentlicht
3 aaO Rn. 21 ff
BGH, Urteil vom 27. April 2022 – VIII ZR 304/211
Dass bei einem Wohnraum-Mietvertrag auf der Mieterseite mehrere Personen als Wohngemeinschaft beteiligt sind, ist sicher kein allzu häufiger Fall, kann aber vor allem in Universitätsstädten vorkommen, wenn mehrere Studenten eine Wohnung mieten – und zwar nicht in Form einer juristischen Person, sondern als Einzelpersonen. Dann können sich verschiedene spezifische Fragen stellen, wie etwa die gesamtschuldnerische Haftung jedes Mieters oder die Kündigung eines einzelnen und/oder die Aufnahme eines neuen Mieters. Mit einer solchen Konstellation hatte es der VIII. Senat des BGH kürzlich zu tun – merkwürdigerweise zum ersten Mal seit der "Wiederbelebung" seiner mietrechtlichen Zuständigkeit durch die ZPO-Reform von 2002. Das Urteil vom 22. April 2022, das der Senat wegen der Grundsatzbedeutung zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung BGHZ vorgesehen hat (von der der Senat im Allgemeinen nur sehr zurückhaltend Gebrauch macht), zeichnet sich durch einen außergewöhnlichen Umfang bei der Erörterung der Frage aus, ob und unter welchen Voraussetzungen die Mieter vom Vermieter die Zustimmung zum „Austausch“ eines Mieters, also dem Ausscheiden eines bisherigen und der Aufnahme eines neuen Mieters in das bestehende Mietverhältnis ohne Kündigung verlangen können. Auf fast 30 Seiten hat der Senat sämtliche denkbaren Fallgestaltungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht untersucht, insbesondere die Frage, ob sich aus dem „Sammelmietvertrag“ und/oder aus dem Verhalten des Vermieters ein Anspruch der (bisherigen) Mieter auf Zustimmung zu einem konkreten Mieterwechsel oder sogar eine „antizipierte“ Einwilligung in künftige „Wechselfälle“ ableiten lässt. Kurz gesagt geht es im Kern um eine nach beiden Seiten interessengerechte, am Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgerichtete Auslegung des Mietvertrages und des Verhaltens des Vermieters.
Die Urteilsgründe zeichnen sich durch eine außergewöhnliche Vielseitigkeit und Gründlichkeit aus, in der keine denkbare Fallgestaltung ausgeklammert wird, und das alles mit einer bemerkenswerten Zurückhaltung hinsichtlich abstrakt-dogmatischen Fragen.
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1 DWW 2022, 208; NJW 2022, 20230; Grundeigentum 2022, 636 WuM 2022, 403; NZM 2022, 545; ZMR 629; die Veröffentlichung in BGHZ ist vorgesehen
BGH, Urteil vom 23. März 2022 – VIII ZR 133/201
Im Ausgangspunkt handelt es sich bei dieser Entscheidung um einen der üblichen Fälle des Berliner Inkassodienstleisters "www.w. .de" , der unter Bezugnahme auf die Mietenbegrenzungsverordnung Berlin gegenüber der Vermieterin auf Grund einer entsprechenden Abtretung der Ansprüche des Mieters u. a. auf Auskunft
geltend gemacht hatte. Das Landgericht2hat insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin (Inkassounternehmen) mit der Begründung verneint, auf die genannten Umstände komme es nicht an, weil die Vermieterin sich nicht auf die Ausnahmetatbestände der §§ 556e, 556f BGB berufen, sondern nur geltend gemacht habe, dass die vereinbarte Miete der ortsüblichen Vergleichsmiete entspreche; es hat deshalb die Klage (insoweit) als unzulässig abgewiesen.3
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1 bislang nur in juris veröffentlicht (Stand 29. April 2022).
2 LG Berlin, Urt. v. 29. April 2020 – 64 S 95/19, Grundeigentum 2020, 672; ZMR 202, 584.
3 Rn. 11
BGH, Urteil vom 19. Januar 2022 – VIII ZR 123/211
Nach knapp eineinhalb Jahren hat sich der VIII. Senat des BGH wieder einmal mit einem – nicht ganz neuen – Kapitel der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015 befasst. Und fast zwangsläufig ist ein Inkassodienstleister auf der Klägerseite beteiligt, im Urteilstext allerdings – anders als in der Grundsatzentscheidung vom 27. Mai 20202 – in anonymisierter Form. Dass sich hinter dem Kürzel "www.w.de"3 die bekannte Internetseite "www.wenigermiete.de" verbirgt, dürfte für den Leser kein Geheimnis sein.
Das aktuelle Urteil befasst sich ganz überwiegend mit der Bestätigung der Grundsätze des Urteils vom 27. Mai 2020 und einer nicht weniger wichtigen Entscheidung vom 17. Juli 20194 in diesem Urteil hatte der Senat die Unwirksamkeit der Hessischen Mietenbegrenzungsverordnung festgestellt. Dennoch empfiehlt sich das sorgfältige Studium des aktuellen Urteils, weil es die zentralen Aussagen sowohl zu den betreffenden Verordnungen als auch zur Wirksamkeit der Aktivitäten der Inkassodienstleisterin in einer etwas gestrafften, dennoch gut nachvollziehbaren, allerdings nur teilweise überzeugenden Darstellung wiedergibt.
Die relativ umfangreichen Ausführungen zu den Besonderheiten des Verbrauchervertrages im elektronischen Rechtsverkehr (§ 312j BGB)5 können hier ausgeklammert bleiben, weil sie keine spezifisch mietrechtlichen Fragen betreffen.
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1 bislang nur in juris veröffentlicht (Stand 25. Februar 2022). Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind nicht veröffentlicht.
2 VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352, dort Rn. 3
3 Rn. 3
4 VIII ZR 130/18, BGHZ 223, 30
5 Rn. 48 ff