Die genaue Kenntnis der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist heutzutage unerlässlich für jeden, der sich mit dem Thema Mietrecht beschäftigt.
An dieser Stelle finden Sie auch für den Nicht-Juristen verständliche Kommentierungen der wichtigsten Urteile des BGH zum Mietrecht von Dr. Dietrich Beyer, Richter am BGH a.D. Bei den Kommentierungen wird besonderer Wert gelegt auf die genaue Darstellung der Auswirkungen der Leitentscheidungen des VIII. Zivilsenats des BGH auf die Praxis.
BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2021 – VIII ZR 94/201
Dieser Beschluss ist einmal mehr ein klassisches Beispiel für die Möglichkeiten der Instanzgerichte und des BGH, einen relativ "unscheinbaren" Fall zum Anlass für eine Entscheidung mit grundsätzlichen Aussagen und einiger Bedeutung für die alltägliche Mietpraxis zu nehmen. Der Streitwert hält sich mit einer Monatsmiete von 23 € in Grenzen, und der Mietvertrag für einen Stellplatz (oder eine Garage), um den es hier geht, ist nach seiner Bedeutung für den Mieter mit Mietvertrag für eine Wohnung nicht ohne Weiteres zu vergleichen. Dennoch lohnt sich die Lektüre und gedankliche "Speicherung" dieser Entscheidung, weil ihre sorgfältige, gut nachvollziehbare und überzeugende Begründung weit über den konkreten Fall hinausgeht.
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1 bislang nur in juris veröffentlicht (Stand 22. Februar 2022). Der Sachverhalt ist, was den mehrfachen Wechsel des Vermieters betrifft, hier etwas vereinfacht dargestellt.
BGH, Urteil vom 24. November 2021 – VIII ZR 258/191
Das Thema Minderung der Miete wegen "externer" Lärmbelästigung war in den letzten Jahren zweimal Gegenstand einer BGH-Entscheidung, und zwar in dem bekannten Bolzplatz-Urteil vom 29. April 20152 und – auf den Tag genau fünf Jahre später – in dem Baulärm-Urteil vom 29. April 20203. In diesen Entscheidungen hat der VIII. Senat strenge Grundsätze für die Minderung der Miete wegen Lärmimmissionen aus der unmittelbaren Umgebung der Wohnung aufgestellt. Diese Rechtsprechung hat nicht überall Zustimmung gefunden – im Gegenteil. Insbesondere das LG Berlin hat für solche Fälle eine Minderung der Miete regelmäßig bejaht4, so auch in dem Urteil vom 21. August 20195, das Gegenstand der aktuellen BGH-Entscheidung vom 24. November 2021 ist.
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1 Grundeigentum 2022, 93 (Stand 25. Februar 2022)
2 VIII ZR 197/14, BGHZ 205, 177; NZM 2015, 481; NJW 2015, 2177; Grundeigentum 2015, 849; WuM 2015, 478; ZMR 2015, 697; DWW 2015, 250
3 VIII ZR 31/18, Grundeigentum 2020, 865; NZM 2020, 598; WuM 2020, 407; NJW 2020, 2884; ZMR 2020, 730; DWW 2020, 306
4 z.B. Urteil vom 17. Juni 2017 - 18 S 211/16, Grundeigentum 2017, 1550; WuM 2018, 25; ZMR 2018, 223, und vom 21. August 2019 - 64 S 190/18, Grundeigentum 2019, 1309, zust. Eisenschmid, jurisPR-MietR 3/2020 Anm. 2
5 64 S 190/18, Grundeigentum 2019, 1309
BGH, Urteil vom 15. Dezember 2021 – VIII ZR 66/201
Die aktuelle Serie der BGH-Entscheidungen zum Komplex Betriebskostenabrechnung des Vermieters und Belegeinsicht des Mieters hat nach den beiden Urteilen vom 27. Oktober 20212 eine bemerkenswerte Fortsetzung erfahren – bemerkenswert nicht etwa wegen neuer, bisher nicht erörterter Fragen, sondern vor allem wegen einer umfassenden, sorgfältigen und in jeder Hinsicht überzeugenden Darstellung, Bestätigung und Begründung der Rechtsprechung zum Belegeinsichtsrecht des Mieters. Die Aussage, dass der Mieter grundsätzlich die Vorlage der Originalbelege verlangen kann, wird mit zahlreichen Argumenten belegt; für die Praxis nicht weniger wichtig sind andererseits die Ausführungen zu möglichen Ausnahmen im Interesse des Mieters oder des Vermieters, insbesondere auch wegen der erstmaligen Erörterung digitaler Belege und der "Scanprodukte".
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1 bislang nur in juris veröffentlicht (Stand 3. Februar 2022)
2 VIII ZR 102/21, WuM 2021, 730; Grundeigentum 2021, 1557, und VIII ZR 114/21, Grundeigentum 2021, 1554; WuM 2022, 26 (Stand 3. Februar 2022)
BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 – VIII ZR 32/201
Bisweilen ist man überrascht, dass es auch für "Standardfälle" des Wohnraummietrechts immer wieder einen Anlass für die höchstrichterliche Klärung einer Rechtsfrage gibt. So lästig dies für mindestens eine der Parteien sein mag, so nützlich kann ein solcher Fall für die Praxis, konkret: für Mieter, Vermieter, Instanzgerichte, Rechtsanwälte und Verwalter sein. Ein aktuelles Beispiel liefert das BGH-Urteil vom 8. Dezember 2021 bzw. das vorausgegangene Berufungsurteil der ZK 66 des LG Berlin2, in diesem Zusammenhang aber auch die erstinstanzliche Entscheidung des AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg vom 30. August 20183. In diesem Verfahren geht es um folgende Frage: Ist bei der fristlosen Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Zahlungsverzug in zwei aufeinander folgenden Monaten für das Tatbestandsmerkmal des nicht unerheblichen rückständigen Teils der Miete i.S.d. § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB ("wenn er die Miete für einen Monat übersteigt") ein minimaler "Mehrbetrag", u. U. also ein Betrag der Monatsmiete plus 1 Cent, ausreichend, oder muss für jeden der beiden Monate ein "erheblicher" Rückstand vorliegen? Letzteres hat das Berufungsgericht angenommen, allerdings zur Klärung dieser Frage die Revision zugelassen.
Kommentar
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1 bislang nur in juris veröffentlicht (Stand 3. Februar 2022).
2 Urteil vom 8. Januar 2020 – 66 S 181/18, Grundeigentum 2020, 197; WuM 2020, 73; ZMR 2020, 305; MDR 2020, 341
3 16 C 161/18, nicht veröffentlicht
BGH, Urteil vom 27. Oktober 2021 – VIII ZR 114/211
Seit einiger Zeit beschäftigt ein Thema, das vorher eher sporadisch beim BGH landete, den VIII. Senat mit einer gewissen Regelmäßigkeit: Die Einsicht des Mieters in Belege, die Aufschluss über bestimmte Positionen einer Betriebskostenabrechnung geben sollen. Während die vorangegangenen Entscheidungen konkrete Einzelfragen betrafen – etwa die Einsicht in Verbrauchsbelege anderer Wohnungen einer Abrechnungseinheit2 oder in Zahlungsbelege des Vermieters3 – befassen sich die beiden aktuellen Urteile vom 27. Oktober 20214 in einer sehr umfassenden und grundsätzlichen Art und Weise mit dem Belegeinsichtsrecht des Mieters. Die Begründung überzeugt – mit einer kleinen Ausnahme5 – bis in die Details der Beleg-einsicht, der Abrechnungen eines Subunternehmers und Einzelfragen des Wirtschaftlichkeits-gebots. Beide Fälle zeichnen sich durch eine betriebskostenrechtliche „Stufenkonstruktion“ aus, bei der es um die Kosten des Vermieters, eines Dienstleisters und eines Subunternehmers und die Überprüfung dieser Kostenansätze durch den Mieter geht.
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1 Grundeigentum 2021, 1554; WuM 2022, 26 (Stand 3. Februar 2022)
2 Urteil vom 7. Februar 2018 - VIII ZR 189/17, Grundeigentum 2018, 577; NJW 2018, 1599; WuM 2018, 288; NZM 2018, 458; DWW 2018, 214; ZMR 2018, 573
3 9. Dezember 2020 - VIII ZR 118/19; NZM 2021, 31; Grundeigentum 2021, 113; DWW 2021, 14; WuM 2021, 104; NJW 2021, 693
4 außer der hier besprochenen Entscheidung das Urteil in der Sache VIII ZR 102/21, WuM 2021, 730; Grundeigentum 2021, 1557 (Stand 3. Februar 2022)
5 s. dazu Ziff. 3) der Anmerkungen
BGH, Urteil vom 27. Oktober 2021 – VIII ZR 102/21 1
Seit einiger Zeit beschäftigt ein Thema, das vorher eher sporadisch beim BGH landete, den VIII. Senat mit einer gewissen Regelmäßigkeit: Die Einsicht des Mieters in Belege, die Aufschluss über bestimmte Positionen einer Betriebskostenabrechnung geben sollen. Während die vorangegangenen Entscheidungen konkrete Einzelfragen betrafen – etwa die Einsicht in Verbrauchsbelege anderer Wohnungen einer Abrechnungseinheit2 oder in Zahlungsbelege des Vermieters3 – befassen sich die beiden aktuellen Urteile vom 27. Oktober 20214 in einer sehr umfassenden und grundsätzlichen Art und Weise mit dem Belegeinsichtsrecht des Mieters.
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1 WuM 2021, 730 (Stand 30. Dezember 2021)
2 Urteil vom 7. Februar 2018 - VIII ZR 189/17, Grundeigentum 2018, 577; NJW 2018, 1599; WuM 2018, 288; NZM 2018, 458; DWW 2018, 214; ZMR 2018, 573
3 9. Dezember 2020 - VIII ZR 118/19; NZM 2021, 31; Grundeigentum 2021, 113; DWW 2021, 14; WuM 2021, 104; NJW 2021, 693
4 außer der hier besprochenen Entscheidung das Urteil in der Sache VIII ZR 114/21, bislang nur in juris veröffentlicht (Stand 21. Dezember 2021)
BGH, Beschl. vom 26. Oktober 2021 – VIII ZR 150/201
Das Thema Einsichtnahme des Mieters in die Belege der Betriebskostenabrechnung hat den VIII. Senat des BGH in den vergangenen Jahren bekanntlich immer wieder beschäftigt. Der Beschluss vom 26. Oktober 2021 bringt hierzu keine grundlegenden neuen Aussagen; für die Praxis interessant ist er dennoch, und zwar wegen der konzentrierten Zusammenfassung und Bestätigung der Grundsätze für die Belegeinsicht des Mieters und die Folgen, wenn der Vermieter die Einsicht nicht gewährt.
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1 Grundeigentum 2022, 466; NJW-RR 2022, 877; WuM 2022, 217; NZM 2022, 373
BGH, Urteil vom 13. Oktober 2021 – VIII ZR 91/201
Wenn es einen unnötigen "Dauerbrenner" in der Rechtsprechung des VIII. Senats gibt, dann sind es die Entscheidungen zu dem Komplex "Doppelte" (fristlose und ordentliche) Kündigung wegen Zahlungsverzug und Schonfristzahlung. Die Ursache des Problems liegt vor allem in der Rechtsprechung verschiedener Kammern des LG Berlin, die die seit dem Jahr 2005 gefestigte Rechtsprechung des VIII. Senats des BGH nicht akzeptieren – konkret: die bei einer vom Vermieter erklärten fristlosen und – hilfsweise – ordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzug beide Kündigungen als unwirksam ansehen, wenn der Mieter oder eine Sozialbehörde innerhalb der zweimonatigen Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB den Rückstand tilgt (Schonfristzahlung).
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1 WuM 2021, 744 (Stand 29. Dezember 2021)
BGH, Urteil vom 15. September 2021 – VIII ZR 76/201
Das Urteil betrifft einen nicht gerade alltäglichen Fall; umso wichtiger ist es für Mieter und Vermieter, wenn eine Wohnung zwangsversteigert wird und der Ersteigerer, also der neue Vermieter, das Mietverhältnis kündigen will. Im konkreten Fall hatte diese Frage eine besondere Bedeutung deshalb, weil im Mietvertrag eine Kündigung wegen Eigenbedarf ausgeschlossen war. Die Entscheidung berührt allerdings auch „allgemeine“ kündigungsrelevante Punkte, hier etwa die formelle Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung. Offen bleibt jedoch die in der Praxis u.U. entscheidende Frage der zeitlichen Begrenzung der Sonderkündigung, wenn der Grund für die ordentliche Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses – anders als im entschiedenen Fall – erst einige Zeit nach dem Zuschlag entsteht: Was ist dann der erste Termin, für den sie zulässig ist (§ 57a S. 2 ZVG)?2
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1 bislang nur in juris veröffentlicht (Stand 3. November 2021)
2 s. dazu unten S. 8 unter c)
BGH, Beschluss vom 3. August 2021 – VIII ZR 88/201
In den letzten 12 Monaten hat sich der VIII. Senat des BGH nicht weniger als dreimal mit Sachverhalten aus Berlin gefasst, in denen es um die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 558 BGB), konkret um die Anwendbarkeit des Berliner Mietspiegels 2017 bzw. die Einholung eines Sachverständigengutachtens anstelle eines Rückgriffs auf den Mietspiegel ging; bemerkenswert sind alle diese Fälle auch deshalb, weil es sich bei jenem Mietspiegel offiziell um einen qualifizierten Mietspiegel handelt – was die Berliner Gerichte in diesen Fällen aber nicht akzeptiert haben.
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1 Grundeigentum 2021, 1363; NJW-RR 2021, 1455; NZM 2021, 882
Formelle Anforderungen an das Erhöhungsverlangen (§ 558a BGB) – ein Lehrbuchfall
BGH, Urteil vom 7. Juli 2021 – VIII ZR 167/201
Ein auf den ersten Blick fast alltäglicher Fall hat dem BGH Gelegenheit gegeben, praktisch seine gesamte Rechtsprechung zu den formellen Anforderungen an ein Mieterhöhungsverlangen (§ 558a BGB) in einer konzentrierten, aber umfassenden und sehr gut nachvollziehbaren Form darzustellen. Die wichtigen Grundsätze der notwendigen, aber auch ausreichenden Begründung des Erhöhungsverlangens des Vermieters, insbesondere bei der Bezugnahme auf einen Mietspiegel, werden Punkt für Punkt lückenlos dargestellt. Dabei dürfte das Meiste dem Leser bekannt vorkommen, aber die Vollständigkeit der Darstellung beeindruckt. Bemerkenswert ist im Übrigen der im Leitsatz enthaltene Klammerzusatz „im Anschluss an Senatsurteil vom 12. Dezember 2007 – VIII ZR 11/07...“; dort hatte der Senat unter Aufgabe seiner strengeren Rechtsprechung die Weichen in Richtung einer Reduzierung der formellen Anforderungen gestellt, an der bis heute unverändert – und mit guter Begründung – festhält.
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1 Bislang nur in juris veröffentlicht (Stand 16. Oktober 2021)
Eine Vorfrage: Ehepaar als Vermieter (Gesellschaft bürgerlichen Rechts - GbR): Rechtliche Verbindung auch nach der persönlichen Trennung?
BGH, Urteil vom 7. Juli 2021 – VIII ZR 52/201
Das Urteil vom 7. Juli 2021 befasst sich ganz überwiegend mit dem Thema, wie konkrete Fragen des Mietverhältnisses mit dem Mieter zu klären sind, wenn auf der Vermieterseite nicht eine natürliche Person, sondern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beteiligt ist. In der Praxis können sich hier erhebliche Probleme ergeben, falls ein einzelnes Mitglied der Vermieter-Gesellschaft tätig wird. Dazu hat der Senat mehrere Alternativen erörtert, wobei er von dem Grundsatz ausgeht, dass der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Allgemeinen nicht befugt ist, den Schuldner einer Gesellschaftsforderung im eigenen Namen auf Leistung an die Gesellschaft in Anspruch zu nehmen.2 – Der mietrechtliche Teil der Entscheidung betrifft die Verpflichtung des Vermieters, über die Betriebskostenvorauszahlungen des Mieters jährlich abzurechnen, und die Rechte des Mieters, wenn der Vermieter dieser Pflicht nicht nachkommt. Die betreffenden Ausführungen sind für die Praxis deshalb besonders interessant, weil sie die verschiedenen in Betracht kommenden Alternativen systematisch und gut nachvollziehbar erörtern.
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1 WM 2021, 1541; Grundeigentum 2021, 1000 (Stand 20. September 2021)
2 Leitsatz a) und Rn. 28 ff
BGH, Beschluss vom 6. Juli 2021 – VIII ZR 371/191
Die Zahl der aktuellen BGH-Entscheidungen zum Komplex Betriebskosten hält sich in Grenzen, aber sie sind allesamt ausgesprochen interessant und praxisrelevant. Das gilt auch für den Beschluss vom 6. Juli 2021, der u.a. die formellen Anforderungen an die Abrechnung von Betriebskosten, konkret: die etwas pauschale Bezeichnung der „sonstigen Betriebskosten“ i.S.d. § 2 Nr. 17 BetrKV betrifft. Dazu hat der VIII. Senat seit dem Jahr 2009 feste und ausgesprochen praktikable Grundsätze entwickelt und anhand dieser Regeln für alle möglichen Kostenarten die Frage geprüft und entschieden, ob im konkreten Fall eine Zusammenfassung verschiedener Kosten in einer Position zulässig war oder nicht. An diese Rechtsprechung knüpft er nun an.
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1 Grundeigentum 2021, 1193; WuM 2021, 558 (Stand 16. November 2021)
BGH, Beschluss vom 22. Juni 2021 – VIII ZR 26/201
Eigentlich sollte man meinen, dass der gesamte Komplex Flächenangabe im Mietvertrag, Flächenabweichung und Minderung der Miete inzwischen – immerhin 17 Jahre nach der Grundsatzentscheidung des VIII. Senats vom 24. März 20042 – hinreichend geklärt ist. Dennoch hatte das Berufungsgericht, das LG Bonn, in diesem Fall die Revision zugelassen, weil es den Mietern die Überprüfung ermöglichen wollte, ob die Entscheidung über die Rückforderung von immerhin rd. 47.500 € wegen einer Minderung der Miete auf Grund einer Minderfläche, die das LG für unbegründet gehalten hatte, mit der Rechtsprechung des Senats – konkret: dem Urteil vom 16. September 20093 – übereinstimmt. Zu jenem Urteil hatte der Senat folgende Leitsätze formuliert:
1) Umfassende Prüfung durch das Gericht (rechtl. Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG)
2) Beschreibung nach Zeitpunkt, Art, Intensität, Dauer und Häufigkeit der Lärmbelästigung (Substantiierungsanforderungen); insbesondere: sozial-adäquater Kinderlärm und seine Grenzen
BGH, Beschluss vom 22. Juni 2021 – VIII ZR 134/201
Es gibt immer wieder Entscheidungen des VIII. Senats, die in der eher unscheinbaren Form eines Beschlusses ergehen, die aber inhaltlich so umfassend und aussagekräftig sind, dass man jeden Satz unterstreichen möchte und eine Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung BGHZ für angemessen halten könnte. Zu dieser Kategorie zählt auch der vorliegende Beschluss vom 22. Juni 2021; er zeichnet sich durch die ausführliche, aber nicht überdehnte Darlegung der Grundsätze des verfassungsrechtlichen Gebots des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG)2 aus – ein Aspekt, der von besonderer Bedeutung vor allem für Rechtsanwälte und Richter ist. Konkret geht es insbesondere um die Frage, welche Tatsachen eine Partei – im vorliegenden Fall die Vermieterin – im Einzelnen in der Kündigung und einer darauffolgenden Räumungsklage vortragen muss, wenn sie ein Mietverhältnis wegen Störung des Hausfriedens durch Lärmbelästigung fristlos kündigt. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang auch die "Fußnoten" zum sozialadäquaten Kinderlärm und seinen Grenzen sowie zur Untervermietung.
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1 Bislang nur in juris veröffentlicht (Stand 20. September 2021). Die Entscheidungen der Vorinstanzen (AG Köln, Urteil v. 7. August 2018, 205 C 56/18; LG Köln, Urteil v. 2. April 2020, 1 S 189/18) sind nicht veröffentlicht.
2 Rn. 13 ff
BGH, Urteil vom 28. April 2021 – VIII ZR 22/201
Die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete ist für die Praxis ein fast alltägliches Thema. Das Urteil vom 28. April 2021 ist für diese Praxis besonders interessant und wichtig, weil es wieder ein Detail in Erinnerung ruft, das der VIII. Senat vor etlichen Jahren grundsätzlich geklärt hatte, und zwar die Frage, auf welchen Zeitpunkt bei der Feststellung der Vergleichsmiete abzustellen ist. Zum anderen befasst sich die Entscheidung unter mehreren Gesichtspunkten mit der Ermittlung der Vergleichsmiete durch einen Sachverständigen, obwohl bzw. wenn ein Mietspiegel existiert; insoweit können Zweifel bestehen, ob ein Gericht „ohne weiteres“ von der Anwendung des Mietspiegels absehen und stattdessen ein (u. U. kostspieliges) Gutachten einholen darf.
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1 Grundeigentum 2021, 817 (Stand 21. Juli 2021)
BGH, Urteil vom 28. April 2021 – VIII ZR 6/191
Eigenbedarfskündigungen sind sowohl in der Praxis als auch in der Rechtsprechung nahezu alltägliche Routinefälle. Das gilt an sich auch für den VIII. Senat des BGH. Wenn der Senat dennoch einen solchen Fall einmal mehr zum Anlass für eine geradezu lehrbuchartige, nach Form und Inhalt gut begründete und uneingeschränkt überzeugende Entscheidung nimmt, kann das nicht hoch genug eingeschätzt werden – kurz gesagt. Das Urteil ist von der ersten bis zur letzten Zeile lesenswert und eine Anleitung für die Praxis, für Anwälte und für die Instanzgerichte.
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1 bislang nur in juris veröffentlicht (Stand 27. Juli 2021)
BGH, Urteil vom 28. April 2021 – VIII ZR 5/201
Mit dem Thema Mieterhöhung nach Modernisierung hat sich der VIII. Senat des BGH in der jüngeren Vergangenheit mehrfach unter allen möglichen Aspekten befasst – zuletzt in einer Grundsatzentscheidung vom 18. März 20212 zur Frage des zeitlichen Zusammenhangs der Ankündigung von Modernisierungsmaßnahmen und den Konsequenzen für die Anwendung der Übergangsregelung des Art. 229 § 49 Abs. 1 EGBGB (jährliche Mieterhöhung 11 oder 8 %). In dem aktuellen Urteil geht es um einen etwas schlichteren, aber ebenfalls praxisrelevanten Komplex, nämlich die Aufspaltung einer Modernisierungsmieterhöhung in mehrere Vorgänge bei der "gestaffelten" Durchführung verschiedener Einzelmaßnahmen.
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1 WuM 2021, 371 (Stand 7. Juli 2021)
2 VIII ZR 305/19, Grundeigentum 2021, 621, WuM 2021, 354; NZM 2021, 463 (Stand 7. Juli 2021)
BGH, Urteil vom 7. April 2020 – VIII ZR 383/181
Ein auf den ersten Blick etwas verwickelter Sachverhalt war für den VIII. Senat – im Zusammenhang mit einer Nichtzulassungsbeschwerde – Anlass für die Bestätigung seiner Rechtsprechung zur Bemessung der Beschwer im Fall einer Mieterhöhung wegen Modernisierung. In einem zweiten Schritt hat er diese Grundsätze sinngemäß auch auf den umgekehrten Fall einer Mietminderung wegen eines Mangels angewandt und die bisherige einschlägige BGH-Rechtsprechung uneingeschränkt bestätigt. Die Entscheidung – reduziert man den Sachverhalt auf seinen relevanten Kern – ist klar begründet, im Ergebnis m.E. aber nicht unbedingt überzeugend.
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1 WuM 2020, 299; Grundeigentum 2020, 666; ZMR 2020, 637
BGH, Beschl. vom 30. März 2021 – VIII ZR 221/191
Dass eine Aktiengesellschaft als juristische Peron bei der Kündigung eines Wohnraummiet-verhältnisses keinen Eigenbedarf geltend machen kann, liegt auf der Hand. Dennoch stellt sich die Frage, ob sie sich nicht auf den Wohnbedarf eines Gesellschafters berufen kann. Für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), eine Personengesellschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit, hat der BGH bereits vor einigen Jahren entschieden, dass sie sich in entsprechender Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf den Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter oder dessen Angehörigen berufen kann.2 In einem Urteil vom 15. März 20173 hat er hieran festgehalten. Für Personenhandelsgesellschaften (oHG, KG) gilt dies allerdings nicht.4 Für die Aktiengesellschaft ist eine Eigenbedarfskündigung - auch zugunsten eines Gesellschafters - demnach „erst recht“ ausgeschlossen. Mit dieser Aussage stimmt die aktuelle Entscheidung des VIII. Senats nur im Ergebnis überein; die Begründung wirft jedoch Fragen auf. Die Frage, ob die Kündigung nicht nach der Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB begründet sein konnte, wird nicht einmal angedeutet.
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1 bislang nur in juris veröffentlicht (Stand 21. Juli 2021)
2 Urteil vom 14. Dezember 2016 – VIII ZR 232/15, BGHZ 213, 136; WuM 2017, 94; NJW 2017, 547; NZM 2017, 111; ZMR 2017, 141; DWW 2017, 51; ebenso zuletzt Urteil vom 9. Dezember 2020 – VIII ZR 238/18, Grundeigentum 2021, 173; NZM 2021, 132; WuM 2021, 116; ZMR 2021, 211; NJW 2021, 1232, Rn. 14
BGH, Urteil vom 18. März 2021 – VIII ZR 305/191
Bisweilen gibt es Entscheidungen des BGH, die auf den ersten Blick nicht unbedingt aufregend erscheinen und deren Bedeutung erst beim Studium der Gründe ersichtlich wird. Das Urteil vom 18. März 2021 sprengt jedoch jeden Rahmen: Es ist ergangen zu einer Musterfeststellungsklage i.S.d. § 606 ZPO – eine neue, seit dem 1. November 2018 bestehende Klageform mit dem speziellen Zweck des Verbraucherschutzes. Beim BGH waren bis zu der vorliegenden Entscheidung lediglich zwei derartige Verfahren anhängig gewesen.2Die eigentliche, herausragende Bedeutung des Urteils vom 18. März 2021 liegt indessen in seiner umfangreichen, in jeder Hinsicht überzeugenden und geradezu lehrbuchartigen Begründung – und dies ist umso bemerkenswerter, als das Ergebnis auf den ersten Blick – in Bezug auf den Grundsatz von Treu und Glauben, genauer: das Verbot treuwidrigen Verhaltens (§ 242 BGB) – fast bedenklich erscheint. Kurz gesagt: Es gibt wenig BGH-Entscheidungen, die so präzise, dogmatisch sauber und konsequent begründet sind wie dieses Urteil des VIII. Senats. Die Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung BGHZ war geradezu zwingend.
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1 Grundeigentum 2021, 621 (Stand 12. Juni 2021)
2 Entscheidungen vom 17. November 2020, XI ZB 1/19 und XI ZR 171/19
BGH, Urteil vom 3. Februar 2021 – VIII ZR 68/1912
Fälle der Eigenbedarfskündigung sind seit Jahren regelmäßiger Bestandteil der laufenden Rechtsprechung des VIII. Senats des BGH zur Wohnraummiete, meistens im Zusammenhang mit einem Härteeinwand des Mieters und den sich daraus ergebenden Anforderungen an die Abwägung der beiderseitigen Belange. So hat der VIII. Senat im Mai und Dezember 2019 drei einschlägige Entscheidungen zu diesem Komplex erlassen, u. a. ein in der Amtlichen Sammlung veröffentlichtes Urteil3, auf das er in der aktuellen Entscheidung vom 3. Februar 2021 mehrfach Bezug nimmt.
Beim Lesen der vier Leitsätze könnte man annehmen, die Begründung und das Ergebnis dieses neuen Urteils entsprächen lediglich dem "Schema" der einschlägigen Senatsrechtsprechung. Die Urteilsgründe zeichnen sich jedoch durch eine sehr gründliche und überzeugende Darlegung der Argumente, auch in den Details, aus.
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1 WuM 2021, 257; NJW-RR 2021, 461; Grundeigentum 2021, 493; NZM 2021, 361; DWW 2021, 133
2 Die rechtlichen Einzelheiten, die sich aus dem Tod des Ehemannes der Mieterin im April 2019 und aus den weiteren von der Vermieterin erklärten Kündigungen ergeben, können hier ausgeklammert werden. Der Senat hat auf Grund der Nichtzulassungsbeschwerde der Vermieterin die Revision nur hinsichtlich des auf die Kündigungen wegen Eigenbedarfs vom 3. August 2015, vom 26. September 2016 und vom 5. Dezember 2016 gestützten Räumungs- und Herausgabeverlangens zugelassen (Tenor und Rn. 7). Der entsprechende Beschluss ist nicht veröffentlicht.
3 VIII ZR 180/18, BGHZ 222, 133; WuM 2019, 385; Grundeigentum 2019, 905; NZM 2019, 518; NJW 2019, 2765; ZMR 2019, 848.
BGH, Urteil vom 13. Januar 2021 – VIII ZR 66/191, 2
Dass Dreiecksbeziehungen nicht nur im allgemeinen Leben, sondern auch im Mietrecht Probleme verursachen können, hatte der VIII. Senat vor nicht allzu langer Zeit – in einem Urteil vom 22. August 20183 – festgestellt. Damals ging es um die "Reichweite" einer Renovierungsvereinbarung im Dreiecksverhältnis Vormieter – Neumieter – Vermieter. Dass die mit einem Mehr-Personenverhältnis verbundenen Komplikationen sich noch steigern lassen, zeigt der Fall, den der Senat mit dem Urteil vom 13. Januar 2021 entschieden hat und in dem es um die (miet-)rechtlichen Beziehungen zwischen insgesamt vier Beteiligten geht. Zentraler Punkt der Entscheidung ist die klare, gut begründete Abgrenzung zwischen der Wohnraummiete und anderen Mietverhältnissen, die der Senat mit sehr grundsätzlichen und überzeugenden Erwägungen vorgenommen hat.
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1 bislang nur in juris veröffentlicht (Stand 18. März 2021)
2 Die Parallelsache VIII ZR 58/19 ist ebenfalls mit Urteil vom 13. Januar 2021 entschieden worden. Der Sachverhalt ist nahezu identisch, Beide Berufungsurteile stammen von der ZK 67 des LG Berlin (67 S 341/17 und 67 S 241/19)
3 VIII ZR 277/16, Grundeigentum 2018, 1214; WuM 2018, 635; NJW 2018, 3302; NZM 2018, 863; ZMR 2018, 994