Die genaue Kenntnis der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist heutzutage unerlässlich für jeden, der sich mit dem Thema Mietrecht beschäftigt.
An dieser Stelle finden Sie auch für den Nicht-Juristen verständliche Kommentierungen der wichtigsten Urteile des BGH im Mietrecht von Dr. Dietrich Beyer, Richter am BGH a.D. Bei den Kommentierungen wird besonderer Wert gelegt auf die genaue Darstellung der Auswirkungen der Leitentscheidungen des VIII. Zivilsenats des BGH auf die Praxis.
BGH, Urteil vom 14. Dezember 2016 – VIII ZR 232/151, 2
Eigenbedarfskündigungen haben in den letzten Jahren offenbar zugenommen, wohl auch auf Grund der relativ großzügigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, in der er den Begriff des Eigenbedarfs und insbesondere den Entscheidungsspielraum des Vermieters bisweilen bis an die Grenzen des noch Vertretbaren interpretiert hat; erinnert sei nur an die Vorhersehbarkeit des Bedarfs3, den privilegierten Personenkreis (bis hin zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts4) oder die Frage des angemessenen Wohnbedarfs eines Studenten5. Andererseits hat er in diesem Zusammenhang immer wieder betont, dass der Vermieter verpflichtet ist, die Folgen einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung für den Mieter so gering wie möglich zu halten. Ob der Vermieter einen Anlass für eine solche Kündigung sieht, kann der Mieter durch sein Verhalten nicht beeinflussen; auch der absolut vertragstreue Mieter ist diesem Risiko ausgesetzt – bei einer natürlichen Person als Vermieter ohnehin, u.U. aber auch bei einer juristischen Person und einer vergleichbaren Interessenlage.6 Deshalb ist es richtig und wichtig, dass der BGH den Vermieter dazu verpflichtet, dem gekündigten Mieter eine adäquate "Ausweichmöglichkeit" in Gestalt einer ihm zur Verfügung stehenden, freien und vergleichbaren anderen Wohnung zur Anmietung anzubieten. An diesem Grundsatz hält er auch in dem neuen Urteil unverändert fest. Allerdings differenziert er hier erstmals bei den Folgen einer Verletzung der Anbietpflicht: nicht mehr die Unwirksamkeit der Eigenbedarfskündigung ist die Konsequenz, sondern lediglich eine Schadensersatzpflicht des Vermieters.
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1 WuM 2017, 94 = NJW 2017, 547 = Grundeigentum 2017, 166 = NZM 2017, 111 (Stand 25. Februar 2017); zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung BGHZ vorgesehen
2 Die weitere in diesem Urteil entschiedene Frage der Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist in einem eigenen Beitrag besprochen.
3 Urteil vom 4. Februar 2015 – VIII ZR 154/14, BGHZ 204, 145; NJW 2015, 184 = Grundeigentum 2015, 445 = NZM 2015, 296 = WuM 2015, 296 = ZMR 2015, 368 ("keine Bedarfsvorschau")
4 zuletzt im Urteil vom 14. Dezember 2016 - VIII ZR 232/15
5 Urteil vom 4. März 2015 - VIII ZR 166/14, BGHZ 204, 216; Grundeigentum 2015, 585 = DWW 2015, 133 = WuM 2015, 304 = NJW 2015, 1590 = NZM 2015, 378 = ZMR 2015, 923
6 z.B. Urteil v. 9. Mai 2012 - VIII ZR 238/11, WuM 2012, 388 = NJW 2012, 2342 = NZM 2012, 501
BGH, Urteil vom 14. Dezember 2016 – VIII ZR 232/151 2
Ob eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) – genauer: eine teilrechtsfähige (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts – ein Mietverhältnis wegen des Wohnbedarfs eines ihrer Gesellschafter kündigen kann, war lange Zeit sehr umstritten. Mit einem Grundsatzurteil vom 27. Juni 20073 hat der für die Wohnraummiete zuständige VIII. Zivilsenat des BGH diese Frage erstmals bejaht, und zwar mit der Begründung, es sei "im Ergebnis nicht gerechtfertigt…, Gesellschafter einer bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft insoweit schlechter zu stellen als Mitglieder einer einfachen Vermietermehrheit", etwa ein Ehepaar4 (oder eine Erbengemeinschaft). Der Wohnbedarf eines Gesellschafters sei der GbR, die als teilrechtsfähige Gesellschaft die Räume nicht als Wohnung "für sich" nutzen könne, "zuzurechnen". Eingeschränkt hatte der Senat diese Zurechnung mit Rücksicht auf den Schutzzweck des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB – die Überschaubarkeit des in Betracht kommenden Personenkreises und die Begrenzung des Risikos für den Mieter – damals allerdings auf diejenigen Gesellschafter (oder ihre Angehörigen), die im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages bereits Gesellschafter waren.5Diese Einschränkung hat er mit einem Urteil vom 23. November 20116 je-doch aufgegeben. Mit dem neuen Urteil vom Dezember 2016 hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung im Ergebnis in vollem Umfang bestätigt; nur die Begründung hat er dahin präzisiert, dass die Kündigung nicht über die Zurechnung des Wohnbedarfs eines Gesellschafters und damit in unmittelbarer Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB als Eigenbedarfskündigung der GbR, sondern in entsprechender (analoger) Anwendung der Vorschrift begründet sei.
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1 WuM 2017, 94 = NJW 2017, 547 = Grundeigentum 2017, 166 = NZM 2017, 111 (Stand 25. Februar 2017); zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung BGHZ vorgesehen
2 Die weitere in diesem Urteil entschiedene Frage der sog. Anbietpflicht eines Vermieters im Zusammenhang mit einer Eigenbedarfskündigung bei einer ihm zur Verfügung stehenden vergleichbaren Wohnung ("Alternativwohnung") und den Folgen der Verletzung einer solchen Anbietpflicht ist in einem eigenen Beitrag besprochen.
3 VIII ZR 271/06, WuM 2007, 515 = NJW 2007, 2845 = Grundeigentum 2007, 1185 = NZM 2007, 679 = ZMR 2007, 772 = DWW 2007, 369
4 aaO RNr. 15
5 aaO RNr. 17
6 VIII ZR 74/11, WuM 2012, 31 = Grundeigentum 2012, 127 = NJW-RR 2012, 237 = NZM 2012, 150 = ZMR 2012, 264
BGH, Urteil vom 14. Dezember 2016 – VIII ZR 49/161
Bisweilen geben auch außergewöhnliche Fälle Anlass zu ganz grundsätzlichen höchstrichterlichen Aussagen. In dem Urteil vom 14. Dezember 2016 ging es um eine Schadensersatzforderung der Vermieterin gegen den Mieter wegen Beschädigung der Wohnungstür – allerdings nicht (unmittelbar) verursacht vom Mieter, sondern von der Polizei, die auf Grund einer richterlichen Durchsuchungsanordnung dem Verdacht des Handels mit Betäubungsmitteln nachging und zu diesem Zweck die Wohnungstür gewaltsam öffnete. Die mietrechtlichen Konsequenzen dieses hoheitlichen "Einbruchs" sind rechtlich äußerst interessant und lesenswert.
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1 WuM 2017, 10 = Grundeigentum 2017, 165 (Stand 25. Februar 2017)
BGH, Urteil vom 9. November 2016 – VIII ZR 73/161
Fälle, in denen der Vermieter das Mietverhältnis wegen schwerwiegender Pflichtverletzungen des Mieters nach der Generalklausel des § 543 Abs. 1 BGB fristlos kündigt, erfordern nach dem klaren Wortlaut des Satzes 2 die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und die Abwägung der beiderseitigen Interessen. In der jüngeren Vergangenheit hat der Bundesgerichtshof wiederholt Entscheidungen von Berufungsgerichten aufgehoben, weil die tatrichterliche Abwägung wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hatte; zu denken ist hier etwa an den Fall der von der Vermieterin provozierten Tätlichkeit eines Mieters gegen die Vermieterin; dort hat der BGH diese Provokation als "tatauslösendes" Moment im Rahmen der Gesamtabwägung als so erheblich gewertet, dass er – anders als das Berufungsgericht – die Kündigung für unwirksam erachtet hat.2
Besonders heikel sind die Sachverhalte, in denen der Mieter psychisch krank, insbesondere etwa depressiv oder – wie im vorliegenden Fall – dement und deshalb nicht oder nur eingeschränkt schuldfähig ist und bei einer Räumung der Wohnung schwerste Gesundheitsschäden bis hin zum Suizid drohen. Dann ist auf der Seite des Mieters das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) berührt, das bei der gebotenen Abwägung im Rahmen des § 543 Abs.1 Satz 2 BGB naturgemäß vorrangig zu gewichten ist. Einen solchen Fall hatte der VIII. Senat erstmals im Dezember 2004 zu entscheiden; dort hatte die umfassende Abwägung der Einzelfallumstände zur Abweisung der Räumungsklage geführt.3 An jene Entscheidung knüpft der Senat im vorliegenden Urteil an.
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1 Grundeigentum 2017, 45 = WuM 2017, 23 = NZM 2017, 26 (Stand 24. Januar 2017)
2 Urteil vom 4. Juni 2014 – VIII ZR 289/13, WuM 2014, 495 = Grundeigentum 2014, 1053 = NJW 2014, 2566 = NZM 2014, 635 = ZMR 2014, 963.
3 Urteil vom 8. Dezember 2004 – VIII ZR 218/03, WuM 2005, 125 = NZM 2005, 300 = Grundeigentum 2005, 296 = ZMR 2005, 183
BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2016 – VIII ZR 300/151
Das Thema Kündigung wegen Eigenbedarf hat sich in der jüngeren Vergangenheit zu einem regelrechten Dauerbrenner in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Wohnraummietrecht entwickelt. Dabei hat der BGH den Begriff des Eigenbedarfs und insbesondere den Entscheidungsspielraum des Vermieters bisweilen bis an die Grenzen des noch Vertretbaren interpretiert; erinnert sei nur an die Vorhersehbarkeit des Bedarfs2, den privilegierten Personenkreis (bis hin zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts3) oder die Frage des angemessenen Wohnbedarfs eines Studenten4. Andererseits haben sich zuletzt Entscheidungen gehäuft, in denen der BGH Berufungsurteile aufgehoben hat, weil das Landgericht dem Verdacht, der geltend gemachte Eigenbedarf sei nur vorgetäuscht, nicht mit der gebotenen Sorgfalt nachgegangen ist.5
Ein Fall wie aus dem Lehrbuch ist der neue (erst im Dezember 2016 veröffentlichte) Beschluss vom 11. Oktober 2016 – eine Entscheidung, die wegen der Sorgfalt ihrer Begründung und der Lebensnähe der Argumente das Prädikat "sehr gut" verdient hat. Ihre Lektüre lohnt sich, nicht nur für den Juristen.
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1 WuM 2016, 743 = NZM 2017, 23 (Stand 25. Januar 2017)
2 Urteil vom 4. Februar 2015 – VIII ZR 154/14, BGHZ 204, 145; NJW 2015, 184 = Grundeigentum 2015, 445 = NZM 2015, 296 = WuM 2015, 296 = ZMR 2015, 368 ("keine Bedarfsvorschau")
3 zuletzt Urteil vom 14. Dezember 2016 – VIII ZR 232/15, noch nicht veröffentlicht (Stand 7. Januar 2017); s. BGH-Pressemitteilung Nr. 225/2016 vom 14. Dezember 2016
4 Urteil vom 4. März 2015 – VIII ZR 166/14, BGHZ 204, 216; Grundeigentum 2015, 585 = DWW 2015, 133 = WuM 2015, 304 = NJW 2015, 1590 = NZM 2015, 378 = ZMR 2015, 923
5 z. B. Beschluss vom 23. August 2016 – VIII ZR 178/15, WuM 2016, 628 = NZM 2016, 715 = Grundeigentum 2016, 1377 = ZMR 2016, 852; Beschluss vom 10. Mai 2016 – VIII ZR 214/15, Grundeigentum 2016, 781 = WuM 2016, 426 = ZMR 2016, 6111 = NJW-RR 2016, 982 = NZM 2016, 718
BGH, Urteil vom 5. Oktober 2016 – VIII ZR 222/151
Erst im Dezember 2016 hat der BGH auf seiner Homepage ein Urteil des für die Wohnraummiete zuständigen VIII. Zivilsenats veröffentlicht, dessen Bedeutung für die Praxis nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Es bringt – endlich – die überfällige höchstrichterliche Klarstellung, dass es für die Rechtzeitig der Mietzahlung nicht – wie bisher in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum überwiegend angenommen – auf den Eingang der Zahlung auf dem Konto des Vermieters, sondern auf die Erteilung des Überweisungsauftrages durch den Mieter ankommt. Einzige, aber selbstverständliche Voraussetzung ist, dass das Konto des Mieters eine ausreichende Deckung aufweist.
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1 WuM 2017, 31 (Stand 24. Januar 2017)
BGH, Urteil vom 24. August 2016 – VIII ZR 261/151
Die fristlose Kündigung wegen eines Zahlungsrückstandes des Mieters ist schon im Gesetz umfangreich und ziemlich kompliziert geregelt. Durch die vielfältigen und praktischen Fallgestaltungen wird sie nicht einfacher. Mit einem Urteil vom 24. August 2016 hat der BGH versucht, die Rechtslage etwas zu präzisieren, was ihm aber, wenn man eine Entscheidung aus dem Jahr 2015 betrachtet, nur zum Teil gelungen ist.
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1 NZM 2016, 765 = Grundeigentum 2016, 1272 = NJW 2016, 2437 = WuM 2016, 685 = DWW 2016, 330
BGH, Beschluss vom 23. August 2016 – VIII ZR 178/151
Bei diesem Beschluss handelt sich um die "2. Auflage" eines Verfahrens, das bereits Gegenstand eines Grundsatzurteils des Bundesgerichtshofes vom 4. März 20152 war; damals ging es um die Frage, wer bei einer Eigenbedarfskündigung den "angemessenen Wohnbedarf" der Bedarfsperson bestimmt, wieviel Quadratmeter und wieviel Zimmer es sein dürfen, zumal dann, wenn die betreffende Wohnung künftig "nur" von einem Studenten genutzt werden soll. Dazu hat der VIII. Senat seinerzeit ausgesprochen, dass die Entscheidung des Vermieters, welchen Wohnbedarf er für sich oder seine Angehörigen als angemessen sieht, von den Gerichten grundsätzlich zu respektieren ist, und dass nur ein nach den Umständen des Einzelfalls als "weit überhöht" anzusehender Bedarf rechtsmissbräuchlich (und die Kündigung deshalb unwirksam) ist. Irgendwelche Richtwerte, wie sie in der Instanzrechtsprechung beispielsweise für eine alleinstehende Person mit maximal 100 m² angenommen werden, lehnt der BGH ab.
Diesen Grundsätzen hatte das damalige Berufungsurteil nicht entsprochen; es hatte die Kündigung wegen des seiner Meinung nach überhöhten geltend gemachten Wohnbedarfs für unwirksam gehalten und die Räumungsklage abgewiesen. Der BGH hatte das Urteil aufgehoben und das Verfahren zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
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1 WuM 2016, 628 = NZM 2016, 715 = Grundeigentum 2016, 1377 = ZMR 2016, 852
2 VIII ZR 166/14, BGHZ 204, 216, Grundeigentum 2015, 585 = DWW 2015, 133 = WuM 2015, 304 = NJW 2015, 1590 = NZM 2015, 378
BGH, Beschluss vom 23. August 2016 – VIII ZR 23/161
An sich könnte man meinen, dass der VIII. Senat des BGH alles Wichtige zum Kündigungsverzicht in einem Wohnraummietvertrag gesagt hat. Davon ist auch der Senat in dem Beschluss vom 23. August 2016 ausgegangen und hat deshalb die Parteien darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die vom Berufungsgericht2 zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss, d. h. in dem vereinfachten Verfahren nach § 552a ZPO, zurückzuweisen. Daraufhin haben die Mieter ihre Revision zurückgenommen. Der Beschluss enthält jedoch mehrere für die Rechtsprechung, den beratenden Rechtsanwalt und die Praxis der Wohnungswirtschaft wichtige Aussagen.
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1 noch nicht veröffentlicht (Stand 20. Oktober 2016)
2 LG Lüneburg, Urteil vom 3. Februar 2016 – 6 S 98/15, nicht veröffentlicht
BGH, Urteil vom 23. Juli 2016 – VIII ZR 296/151
§ 314 BGB trägt die amtliche Überschrift "Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund"; es geht also um eine grundsätzliche Bestimmung für fristlose Kündigungen. Sein Absatz 3 lautet: "Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er von dem Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat." Der Wortlaut ist jedenfalls auf den ersten Blick so eindeutig und klar, dass er keinen Auslegungsspielraum zu enthalten scheint, sieht man einmal von der Dehnbarkeit des unbestimmten Rechtsbegriffs "angemessen" ab. Dennoch waren die Meinungen im mietrechtlichen Schrifttum bislang geteilt.2 Der VIII. Senat des BGH hat das Problem in der Vergangenheit erkannt und mehrfach angesprochen, brauchte es dort aber nicht zu entscheiden, weil es auf die Anwendbarkeit des § 314 Abs. 3 BGB in jenen Fällen nicht ankam.3 In dem Urteil vom 23. Juli 2016 hat er diese Frage nun geklärt und seine Entscheidung ausführlich und überzeugend begründet. Die Entscheidung ist geradezu ein Musterbeispiel für die Auslegung von gesetzlichen Bestimmungen.
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1 Grundeigentum 2016, 1148 = WuM 2016, 616 = DWW 2016, 293 (Stand 27. Oktober 2016
2 s. Urteil vom 23. Juli 2016 aaO, RNr. 24
3 Urteil vom 23. Juli 2016 aaO, RNr. 15
BGH, Urteil vom 20. Juli 2016 - VIII ZR 263/141
Mit diesem Urteil beantwortet der BGH zunächst – allerdings etwas pauschal – die Frage, wann grundsätzlich der Anspruch des Mieters auf Rückgabe einer Mietsicherheit fällig wird. Im Mittelpunkt steht jedoch die weitere Frage, wie sich Betriebskostennachforderungen des Vermieters – zumal solche älteren Datums – auf den Rückgabeanspruch des Mieters auswirken. Dabei geht es vor allem um die Verjährung solcher Nachforderungen und ihre Konsequenzen für den Freigabeanspruch des Mieters. Die Entscheidung hängt insbesondere davon ab, ob es sich bei Betriebskostennachforderungen um wiederkehrende Leistungen i.S.d. § 216 Abs. 3 BGB handelt; dieser Punkt war bislang höchstrichterlich nicht geklärt, ist in der vorliegenden – sehr lesenswerten – Entscheidung aber mit ausführlicher und überzeugender Begründung beantwortet.
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1 Grundeigentum 2016, 1146 (Stand 7. Oktober 2016)
BGH, Urteil vom 29. Juni 2016 – VIII ZR 173/151
Seit der Grundsatzentscheidung des BGH vom 21.Oktober 20092 ist geklärt, dass das Jobcenter nicht als Erfüllungsgehilfe des Mieters tätig wird und dem Mieter deshalb ein Verschulden der Behörde bei der verspäteten Zahlung der Miete nicht gemäß § 278 BGB zuzurechnen ist, wenn sie die Mietzahlung als staatliche Transferleistung erbringt. Damit ist aber nicht die weitere Frage beantwortet, ob der Vermieter in einem solchen Fall wiederholten Zahlungsverzug ohne weiteres hinnehmen muss und inwieweit das frühere oder gegenwärtige Verhalten des Mieters bei der Prüfung eine Rolle spielt, ob der Vermieter das Mietverhältnis fristlos nach § 543 Abs.1 Satz 2 BGB oder ordentlich nach der Generalklausel des § 573 Abs.1 Satz 1 bzw. wegen schuldhafter Verletzung einer mietvertraglichen Pflicht nach § 573 Abs.2 Nr.1 BGB kündigen kann. In einer ganzen Reihe von Entscheidungen hat der BGH dazu in den letzten Jahren Grundsätze entwickelt; im Mittelpunkt steht jeweils die Verpflichtung des Tatrichters, sämtliche Umstände des Einzelfalls umfassend festzustellen und sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Schematische Lösungen scheiden generell aus. Das Urteil vom 29. Juni 2016 ist geradezu eine Musterbeispiel für die in solchen Fällen auftretenden Probleme, insbesondere bei der Abwägung der Interessen von Vermieter und Mieter; überdies enthält es erneut einen Hinweis auf die aus dem Gedanken des § 280 Abs.1 Satz 2 BGB herzuleitende Vermutung eines Verschuldens des Mieters, die von den Instanzgerichten häufig nicht hinreichend gewürdigt wird.
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1 noch nicht veröffentlicht (Stand 31. Juli 2016)
2 VIII ZR 64/09, WuM 2009, 736 = NJW 2009, 3781 = Grundeigentum 2009, 1613 = NZM 2010, 37 = DWW 2010. 51 = ZMR 2010, 277
BGH, Beschluss vom 7. Juni 2016 – VIII ZR 274/151
Mit einem Urteil vom 10. Februar 2016 hat der BGH die bislang umstrittene Frage beantwortet, ob eine Formularklausel, nach der der Mieter "die Betriebskosten" zu tragen hat, hinreichend klar und somit wirksam ist, und insbesondere, ob dies auch dann gilt, wenn in der Klausel auf die bei Abschluss des betreffenden Mietvertrages nicht mehr gültige Anlage 3 zu § 27 Abs.1 II. BV Bezug genommen wird. Die Entscheidung geht m.E. an die Grenzen des noch vertretbaren Auslegungsspielraums für mietvertragliche Formularklauseln, bringt aber der Praxis umfassende Klarheit vor allem für die Geltung solcher Klauseln in älteren Mietverträgen. … Jetzt eine Fortsetzung…
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1 Grundeigentum 2016, 385 = NZM 2016, 235 = WuM 2016, 211 = NJW 2016, 1308 = ZMR 2016, 287
BGH, Urteil vom 16. Mai 2016 – VIII ZR 209/151
Mit einem aktuellen Urteil vom 16. Mai 2016 hat der BGH die bislang umstrittene Frage geklärt, ob der Einwendungsausschluss des § 556 Abs.3 Satz 5 und 6 BGB auch für solche Kosten gilt, die nach den gesetzlichen Definitionen des § 556 Abs.1 Satz 2 BGB und des § 1 Abs.2 BetrKV keine Betriebskosten sind und deshalb nicht auf den Wohnungsmieter abgewälzt werden können.
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1 ZMR 2016, 436 (Stand 11. Juli 2016)
BGH, Urteil vom 13. April 2016 – VIII ZR 39/151
In einem Urteil vom 13. April 2016 hatte der BGH in mehrfacher Hinsicht die Frage zu entscheiden, wann eine Pflichtverletzung des Mieters die ordentliche Kündigung rechtfertigt.
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1 VIII ZR 39/15, WuM 2016, 365
BGH, Urteil vom 6. April 2016 – VIII ZR 78/151
Vor einigen Jahren musste sich der BGH bereits einmal mit dem recht prosaischen Problem der Kosten für die Müllbeseitigung (in Heidelberg) unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebotes befassen. In dem aktuellen Urteil vom 6. April 2016 geht es um die Anwendung des Verursachungsprinzips, das an sich eine möglichst gerechte Kostenverteilung gewährleisten soll, in der Praxis aber genau den gegenteiligen Effekt haben kann. Das veranschaulicht die neue Entscheidung recht plastisch.
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1 DWW 2016, 172 = Grundeigentum 2016, 718 = WuM 2016, 357 = NZM 2016, 437 = NJW-RR 2016, 713
BGH, Beschluss vom 23. Februar 2016 – VIII ZR 321/141
Bis in die jüngste Vergangenheit haben etliche Instanzgerichte die "Schonfristregelung" des § 569 Abs.3 Nr.2 BGB, nach der eine fristlose Kündigung unwirksam wird, wenn der Mietrückstand spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage getilgt wird, auch auf die ordentliche Kündigung – entsprechend (analog) – angewandt. Dass diese Lösung aus zwingenden rechtlichen Gründen ausscheiden muss, weil die besonderen – engen – Voraussetzungen für eine analoge Anwendung einer Norm hier nicht vorliegen, hat der für die Wohnraummiete zuständige VIII. Zivilsenat bereits in einem Grundsatzurteil vom 16. Februar 2005 geklärt und seitdem in st. Rspr. daran festgehalten.2
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1 VIII ZR 321/14, Grundeigentum 2016, 455
2 VIII ZR 6/04, WuM 2005, 250, = NZM 2005, 334 = ZMR 2005, 356 = DWW 2005, 150, RNr. 10ff
BGH, Urteil vom 10. Februar 2016 – VIII ZR 33/15 (Teil 2)
In dem hier bereits besprochenen Urteil vom 10. Februar 2016 ging es u. a. um die Umlegung von Kosten der Gartenpflege, mit denen sich der BGH bisher noch nicht zu befassen hatte.
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BGH, Urteil vom 10. Februar 2016 - VIII ZR 33/151
Mit dem hier bereits besprochenen Urteil vom 20. Januar 20162 hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung zu den formellen Anforderungen an eine Betriebskostenabrechnung in einem entscheidenden Punkt geändert. Der Leitsatz jenes Urteils lautet:
1. Zur formellen Ordnungsgemäßheit einer Betriebskostenabrechnung genügt es hinsichtlich der Angabe der "Gesamtkosten", wenn der Vermieter bei der jeweiligen Betriebskostenart den Gesamtbetrag angibt, den er auf die Wohnungsmieter der gewählten Abrechnungseinheit umlegt.
2. Dies gilt auch dann, wenn der Vermieter diesen Gesamtbetrag vorab um nicht auf den Mieter umlagefähige Kostenanteile bereinigt hat; einer Angabe und Erläuterung der zum angesetzten Gesamtbetrag führenden Rechenschritte bedarf es nicht (Aufgabe der Senatsrechtsprechung….)
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1 Grundeigentum 2016, 387 = WuM 2016, 214 = DWW 2016, 137 = NJW 2016, 1439 = NZM 2016, 353 = ZMR 2016, 434
2 VIII ZR 93/15, Grundeigentum 2016, 253 = WuM 2016,170 = NJW 2016, 866 = NZM 2016, 192 = DWW 2016, 99 = ZMR 2016, 282 = CuR 2016, 14
BGH, Urteil vom 10. Februar 2016 - VIII ZR 137/151
Mit einem Urteil vom 10. Februar 2016 hat der BGH die bislang umstrittene Frage beantwortet, ob eine Formularklausel, nach der der Mieter "die Betriebskosten" zu tragen hat, hinreichend klar und somit wirksam ist, und insbesondere, ob dies auch dann gilt, wenn in der Klausel auf die bei Abschluss des betreffenden Mietvertrages nicht mehr gültige Anlage 3 zu § 27 Abs.1 II. BV Bezug genommen wird. Die Entscheidung geht m. E. an die Grenzen des noch vertretbaren Auslegungsspielraums für mietvertragliche Formularklauseln, bringt aber der Praxis umfassende Klarheit vor allem für die Geltung solcher Klauseln in älteren Mietverträgen.
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1 Grundeigentum 2016, 385 = NZM 2016, 235 = WuM 2016, 211 = NJW 2016, 1308 = ZMR 2016, 287
BGH, Urteil vom 3. Februar 2016 - VIII ZR 69/151
Nicht zum ersten Mal, aber mit wichtigen grundsätzlichen Aussagen hat der BGH in einem Urteil vom 3. Februar 2016 zu der Frage Stellung genommen, welche Anforderungen an ein Sachverständigengutachten zu stellen sind, mit dem der Vermieter ein Mieterhöhungsverlangen begründet.
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1 Grundeigentum 2016, 388 = WuM 2016, 219 = NJW 2016, 1385
BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 – VIII ZR 26/151
Wohnraummietverträge sind in aller Regel Formularverträge. Deshalb verwundert es nicht, dass die Streitfragen sich häufig weniger am eigentlichen materiellen Mietrecht als vielmehr an der Schnittstelle zum Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen entzünden; das gilt für alle möglichen Klauseln, insbesondere über Schönheitsreparaturen und Betriebskosten, aber ebenso für Vereinbarungen über einen Kündigungsverzicht, Kleinreparaturen oder die Tierhaltung. Von der rechtlichen Einordung einer Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung (Formularklausel) oder als sog. Individualvereinbarung hängt häufig die Wirksamkeit der betreffenden Regelung ab, vor allem, ob der strenge Prüfungsmaßstab des § 307 BGB anzuwenden ist.
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1 NZM 2016, 214 = NJW 2016, 1230
BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 – VIII ZR 152/151
Vom Vermieter "selbst gebaute" Klauseln sind erfahrungsgemäß riskant, weil sie häufig erhebliche Schwierigkeiten bei der Auslegung bereiten, u. U. sogar ungewollt einschneidende Nachteile für den Vermieter mit sich bringen oder – im "günstigsten" Fall – zumindest unwirksam, also überflüssig sind.
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1 WuM 2016, 164 = Grundeigentum 2016, 321 = ZMR 2016, 284 = NZM 2016, 307 = NJW-RR 2016, 526 = CuR 2016, 10
BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 – VIII ZR 93/151
Fragen, die mit der Betriebskostenabrechnung zusammenhängen, haben den BGH seit etlichen Jahren mit schöner Regelmäßigkeit beschäftigt. Dabei ging es regelmäßig weniger um die inhaltliche Richtigkeit der Abrechnung, sondern vor allem darum, ob sie den formellen Anforderungen entsprach, im Klartext: ob sie für den juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten Mieter gedanklich und rechnerisch nachvollziehbar war. Das ist (nur) dann der Fall, wenn die Abrechnung eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthält (§ 259 Abs. 1 BGB).
Kommentar
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1 VIII ZR 93/15, Grundeigentum 2016, 253 = WuM 2016,170 = NJW 2016, 866 = NZM 2016, 192 = DWW 2016, 99 = ZMR 2016, 282 = CuR 2016, 14
2 aaO RNr. 10